Icelandic Road Warriors

Meine isländischen Freunde Thrandur und Ivar sind ein Magnet für Kuriositäten. So ist man stets gut beraten, sich mit ihnen zu verabreden. Wenn sie nicht gerade mit ihrem bezaubernd improvisierten (aber nicht schlechten) Deutsch jedem noch so grimmig drein blickenden Mädchen ein Lächeln und eine Zigarette abluchsen oder Iron-Man-Trinknächte initiieren, schleppen sie einen auf Konzerte von isländischen Bands und wir wissen ja nicht erst seit Björk und Sigur Ros, dass der gemeine Isländer auch musikalisch sehr speziell werden kann.

Jüngstes Beispiel dafür sah ich gestern im Duncker-Club: VONBRIGDI. Auf den ersten Blick mag das ganze etwas prollig gewirkt haben, doch schnell erschloss sich für mich ein echter David-Lynch-Zugang. Düsterer Metal, verkopft, und gleichzeitig vollkommen kopflos am Zeitgeist vorbei. Und irgendwie auch ziemlich Punk.

Der Schlagzeuger war exzellent und sein faltiges Gesicht spielte auf bizarre Weise mit dem Rotlicht zusammen, so dass er aussah, als trüge er eine Michael-Myers-Maske. Die beiden Gitarristen hatten einen Abschlag wie Pete Sampras einst einen Aufschlag, der Bassist war ein dicklicher Standmetaller mit Sonnenbrille und einem Bewegungsradius von 0,2 mm und dann gab es da noch den Sänger in Ballonjacke und Trainingshosen, der seinen Blick auch nicht einmal aufs Publikum richtete. Nicht einmal.

Emphasiert wurde die ästhetische Schräglage der Altherrenkapelle aber erst richtig durch die anwesenden Freunde und Helfer der Band. Ein hektisches Amateur Kamerateam mit Ausleuchtung und Mini-DV zirkelte 40 Minuten lang um die Bühne, während eine kreischende Anti-Björkmit neongrünen Strumpfhosen aus jeder Lage Fotos schoss oder wahlweise wie ein Derwisch über die Tanzfläche lichterte.

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Fun, Fun, Fun

Ich mag euch nicht.

Ihr ewigen Melancholiker, ihr Unlustigen, ihr Selbstmitleidigen, weil ihr in eurem lächerlich transparent inszeniertem Lebensdrama die Regie über Leichen hinweg führt oder führen würdet. Weil ihr bei jedem Song, der euch etwas bedeutet sofort aus dem Fenster oder sonst wohin starren müsst, weil ihr nicht aus Anteilnahme weint, sondern weil euch euer jüngstes Melodram wieder so kinoreif ergreifend gelungen ist.

Ihr Neidhammel, ihr Geizhälse, ihr Kleinkrämer, ihr schwarzen pedantischen Seelen, ihr Feiglinge. Weil ihr nie euren Platz räumt für die Talentierten, weil ihr euch am Misserfolg, gar am Untergang der Mutigen delektiert. Ihr, die ihr Eigentum nicht hüten, sondern horten und sich über jeden Kratzer im verliehenen Vinyl erdreisten, während sie anderer Leute Wohnungen in Schutt und Asche zurücklassen.

Ihr Sonderlinge und Pseudoindividualisten, ihr Gebrandmarkten, Gebrochenen, angebenden Aufgeber, ihr Traumatisierten. Ihr neurotische Schwachmatiker. Weil ihr euer Scheitern als Auszeichnung seht und Aussatz als Rebellenetikette behandelt. Weil ihr eure Träume verratet, nur um von verlorenen Träumen sprechen zu können. Ihr, die ihr andere in euer Unheil mit hinab reisst und anstatt „Entschuldigung“ nur „Ich hab dich gewarnt“ sagt.

Ihr Schöngeister, ihr intellektuellen Unholde, ihr Geisteswissenschafler, ihr Klugscheisser. Ihr Versteckspieler, die ihr euch hinter Wänden aus Wörtern und Wissen verkriecht. Die ihr thront über den Untiefen der Profanen. Euch, denen Spaß ex cathedra suspekt ist, die nur treffen, wenn sie ein Heimspiel haben. Ihr unflexiblen Paragraphenreiter des Gesetzbuchs des guten Geistes.

Ihr Verdränger, Schönfärber und Zwangsoptimisten. Ihr Sloganspucker und Heilssinger, ihr unreflektiert Unkonzentrierten. Ihr, die ihr nichts lustig finden könnt, was euch über den Kopf wachsen könnte. Ihr, die sich jeden Mißerfolg zur Intrige und Verschwörungstheorie aufblasen. Die ihr nicht über euch selbst und schon gar nicht über euer Versagen lachen könnt. Die ihr ignoriert wenn euch jemand ignoriert.

Euch vertraue ich nicht. Und selbst wenn ihr meinen Kopf überlisten könnt, meinen Bauch kriegt ihr nicht mehr rum. Ein Hoch auf die Sorglosen, ein Prost auf die Fröhlichen, wir scheissen auf euer Trübsal und amüsieren uns.

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Kurzkritik zu Saw

Revealing mistakes: After he saws off his foot and squirms across the bathroom floor you can see the outline of his „missing“ foot in the bottom of his jeans. (Quelle: IMDb)

Das sollte in einem Fußabsägefilm natürlich nicht passieren und ist mir leider auch aufgefallen!

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Krieg

„You Germans are so obsessed with the Second World War.“

sagt die Schwedin, als sie mein Spiegel-Weltkrieg-Hitler-Spezialheft auf dem Küchentisch liegen sieht. „I can’t stand it. All this Nazi shit“, fährt sie fort.

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Was du heute kannst besorgen

Neue Weezer kaufen, Entzug vom Erkältungs-Nasenspray schaffen, keinen Ridley-Scott-Film mehr im Kino gucken, The Motorycycle Diaries nicht weiter empfehlen, mich bei irgendjemand für Schweden bedanken, das Wetter zur Hölle wünschen, meine Darth-Vader-Figur von Burger King auf Druckknopfmechanismen untersuchen, meinen Eltern die Fotos von ihrem parkähnlichen, wunderschönen Garten schicken, ein beeindruckendes Thai-Gericht aussuchen, das meine Kochkünste nicht übersteigt, jemand ganz entwaffend ehrlich anlügen, mich nicht von dem Bürowahnsinn in den Irrsinn treiben lassen, T.B. ignorieren oder wegkloppen, den Gig im Frittiersalon eintüten, mich bei irgendjemand für Berlin bedanken, schlafen, schlafen, schlafen.

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Dear Munich

München ist synonymisch mit Sommerabenden für mich. Eingebrannt für Dekaden: Freitag Abend, nach einer Woche voller Workflow-Repressalien: Auf der Bierbank sitzend, die Beine im Wasser. Freunde, lauter laute, gemütliche Freunde. Zigaretten, Bier und Tätowierungen im Unterhemd. Die Jeans in Fetzen. Auf dem Weg zurück in die Stadt entfernen sich die Lichter des Sees. Der kurze, angetrunkene Weg zurück zur Münchner Freiheit. Vorbei an der toskanischen Villa, die es so nicht mehr gibt und eigentlich eh nur in meiner Vorstellung gab.

Dann einbiegen in die Wilhelmsstraße, wo schon ein blondes Mädchen vor meiner Haustür wartet, ebenfalls in Unterhemd und Jeans. Mit ausdruckslosen, aber großen Augen. Ich, willenlos und gleichgültig, hineinrumpelnd in die Münchner Nacht. Wo aufgeben noch ungefährlich war.

Jetzt ist es anders. Die pittoresken Verlockungen eines Stein gewordenen Stadttraums lassen mich kalt. Den Ostwind hab ich im Parka und den kriegt auch kein Fön mehr raus. Jetzt kann man sehen, wie es wirklich ist. Chancenlosigkeit und Pechsträhnen werden einem dort kaum verziehen. Die Eiscreme ist die beste, die Mädchen die gepflegtesten und die Italiener sind echt. Aber der Peer-Pressure in Sachen heiler Welt ist zu groß. Ich arbeite unter Hochdruck daran, einmal die Kriterien für eine Rückkehr zu erfüllen. Ob ich dann auch zurückkehre, steht auf einem anderen Blatt.

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Neunzehn

Ich wär gerne im Seehaus gewesen, hätte am Fuß der Statue mit einer Maß Bier gesessen, die Bayern Spieler eintrudeln sehen, sie die Meisterschaft feiern hören und dann das Münchner Mädchen geküsst, das ich dabei gehabt hätte. Das wäre meine Meisterfeier gewesen, wohnte ich noch in München.

Da ich seit längerem in Berlin wohne und damit auch mehr als im Einklang bin, sah meine Meisterschaftsfeier so aus: in der Fußballkneipe Staunen, dass keine Buhrufe zum FCB-Sieg kamen, dafür aber reichlich und im Akkord für Schalke. Meinen Pa angerufen, der sagte: „Erst sind wir Papst geworden, jetzt auch noch Meister.“ Danach ein klassisches Allnighter Vier-Bezirke-Saufen und am Ende eine rotz- und ich sage nochmal ROTZbesoffene Neofolkore Band irgendwo am Rosenthaler Platz. Zufällig versteht sich. Sonnenaufgang im Bergstüberl. Anything can happen anytime. Als 19facher Meister weiß ich das.

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Kein klarer Gedanke

Reinstalling the deinstalled. Amerika hat viel von seinem touristischen Reiz verloren, seit man bei uns den gleichen Scheiß kaufen und den gleichen Scheiß im Fernsehen sehen kann. Ein gutes Sitcom Szenario: Ein Unternehmen mit einem Pressesprecher, den jeder auf den ersten Blick unsympathisch empfindet. Meine Mutter sagt: Dieter Hildebrand ist ein Humorist mit Anstand. Das macht ihn glaubwürdig. Ein Mädchen, das ich nicht kenne, rüttelt in der Diskothek an mir und sagt ich muss sofort gehen. Der Dialekt meiner niederbayerischen Heimat ist ein Singsang, das hat mich Christian Tramitz heute gelehrt. Johnny Cashs Biografie auf der Cebit lesen und in einem sonnendurchfluteten Raum einschlafen. Einen Rat bekommen: Änder deine sprachlichen Begrifflichkeiten, dann ändern sich auch die Umstände, in denen du sie erwähnst. Tickets für die Eishockey WM in Wien abgelehnt. Einen Auftritt in Schweinfurt abgesagt. Emil Barkow and the magnificent full stop are coming soon.

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G.C.

Hier kocht der Chef!

Es war ein waghalsiges Unterfangen. Während eines Sommers wollte ich es schaffen, einen Drink in aller Volke Munde zu bringen, der Altvordere wie Wodka Lemon oder Gin Tonic nervös werden lassen sollte. Gin Cola (oder international Gin & Coke) , oder kurz G.C. war mein Kandidat, den ich ins Rennen um den Sommerdrink 2004 schickte. Und auch wenn die von mir vorgesehene Marketingzeitspanne zu kurz angesetzt war, der Promofeldzug nicht mit genügend Guerillahärte geführt wurde und der Drink auch nicht so super schmeckte, war sein Ende ein unrühmliches.

Angefangen hat alles mit einem Missverständnis auf einem Showcase der Berliner Band „Elke“. Miese Band, miese Leute, mieser Ort, miese Gesundheit und mieses Bier ließen mich an der Bar mit geschnorrten Getränkebongs Whiskey Cola bestellen. Ist gut für den Magen und verleiht miesen Abenden ein Mindestmaß an Freude. Zu der Whiskey Cola sollte ich einem Kollegen noch einen Gin Tonic besorgen und schon hatte ich den Salat. Der Barkeeper stammelte irgendetwas von Gin, Cola und ich war mitten drin in der Bebistik-Revolution. Spontan genehmigte mir meinen ersten Gin C. Er erinnerte mich im Aroma an Dr. Pepper und ich glaubte, eine bisher unentdeckte harmonische Synthese zweier klassischer Longdrinkzutaten entdeckt zu haben. Natürlich vertraute ich nicht nur meinem Instinkt, sondern auch meiner Fachkenntnis, schließlich hatte ich während meiner Studentenzeit in einer Spätkneipe mit strenger Cocktailbar nach Schumanns Art gerabeitet. Und mit Krawatte.

Nachdem ich mich also selbst vom zukunftsträchtigen Aroma überzeugt hatte, verbrachte ich die Folgemonate damit, in jeder denkbaren Berliner Bar GC zu bestellen und die fragenden bis abschätzigen Blicke des Thekenpersonals mit motivierenden Promohämmern wie „Is’n geiler Drink“ auszuhebeln. Die Erfolge blieben aus, selbst in meinem Freundeskreis ließen sich nur wenige auf das Experiment ein und die klagten am nächsten Tag über Kopfschmerzen, was ein unfairer Einwand war, denn das taten sie immer. Ein jähes Ende erfuhr die Kampagne, als der Barkeeper einer Kreuzberger Kneipe bei meiner Bestellung verächtlich auf den Boden spuckte. Ab da hatte ich nun wirklich keine Lust mehr.

Übrigens, ich bin nicht der einzige!

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21 Gramm schwere Kost!

Kein pfundiger DVD-Abend. Auch wenn „21 Gramm“ von einem augenscheinlich brillianten Ensemble (Benicio Del Toro, Sean Penn, Naomi Watts) mit Lust zur Selbstentstellung dirigiert wird und Regisseur Alejandro González Iñárritu (Amores Perros) mit seiner fragmentarischen Erzählweise die Fatalität der Ereignisse trotz der Zerstücklung im Zusammenhang grauslich nahe bringt, fand ich den Film pseudomoralisch, aufdringlich, langatmig und ausrechenbar.

Zugegeben, die eine oder andere Szene hat mich in den Schlaf verfolgt, intensiv muss der Film also gewesen sein, im Gesamten hat mir das Spektakel aber deutlich zu lange gedauert und die Hackepeter-Antichronologie hat mich am Ende kollossal genervt, weil einfach gottverdammt nichts voran ging. Ich glaube wirklich, Herrn Inarritus Standpunkt verstanden zu haben, deutlich verstanden, zu deutlich – JA, ICH HAB’S JA VERSTANDEN! Dieser Diskurs zu fundamentalen Fragen des Lebens wie „Was ist ein Leben wert, wieviel wiegt es?“ (21 Gramm hat jemand gesagt) war mir zu aufdringlich und Sean Penns Löffel-Ab-Monolog wäre nun wirklich nicht mehr notwendig gewesen. ICH HAB’S JA KAPIERT!

Ja, war schon irgendwie gut und im Schlimmen schön anzusehen, aber dann doch zuviel des „Guten“. Man soll halt nicht mit seinen Pfunden wuchern. Sagt übrigens auch Roger Ebert.

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