Kreuze mit Gehenkten säumen den Weg, den wir bergauf schreiten. Wir haben sie selbst dahin genagelt, wir haben sie selbst verurteilt, wir sind die Legislative und die Exekutive in Personalunion. Wir sind das Hochamt, wir sind der Scharfrichter. Wir sind die Jury, wir sind die Mehrheit. Unsere Stiefel sind voller Dreck und Staub, unsere Stiefel sind voll dem Blut, mit dem wir die Kiefer unserer Wiedersacher eingestampft haben. Wir haben dich aufgeweckt und dir deinen selbstgefällige Hals durchgeschnitten. Unsere Arroganz ist lebensgefährlich und unsere Ignoranz tödlich. Wir marschieren weiter dem Himmel entgegen, und lassen die Hölle auf die Ungläubigen los. Wir sind eine Ein-Mann-Armee, wir sind die Waffe, der Säbel und wir statuieren die Exempel wie sie kommen. Wir spielen das Fallbeilspiel bis zum Ende durch und wenn wir genug haben, lassen wir die Schädel der Gefallenen unter unseren Stiefeln knacken. Wir sind die Heiligen des Berges und die Luft brennt, wenn wir hinunter in die Stadt kommen. Wir sind die Schlächter des schlechten Geschmacks. Wir mähen die Verfaulenden aus dem Weg und regieren die Stadt mit eiserner Hand.

Ich will nach Hause. Es ist ein Gefühl, das mich seit Tagen peinigt. Seit ich dieses Bild auf dem Flohmarkt gekauft habe, in das man eintauchen möchte, in diesen endlosen Feldweg, zur Linken die Birken und die Buchen, zur Rechten das Feld und in der Mitte der ruppige Weg hinunter in das Tal, das keinen Horizont kennt, kein Ende, keinen Stahl und keinen Beton, seitdem will ich weg. Ich muss dringend nach Hause. Ich muss dringend deine Hand nehmen und dich hinter mir her zerren, weg aus dem Koloss, raus aus dem Staub, der uns das Atmen hier so schwer macht, weg aus der Stadt. Weg von den Rachephantasien, raus aus der Brutalität meiner Launen, raus aus der Selbstjustiz, weg von der Front, raus aus dem tobenden Krieg zwischen mir und der Stadt. Zurück in die lange Weile der Wildnis, in die langen Tage, die zu nichts nutz sind ausser zum Selbstzweck. Und am Abend sitzen wir dann am Fluß an der steinernen Brücke und hängen unsere Biografien über die Strudel der Donau, die blau und selbstzufrieden vor sich hin gluckert. Dann sind die Rachephantasien verstummt und es gibt keinen Scharfrichter mehr.
Ja, Zuhause. Ach Burnstl.
Und so als Tipp unter Besserwissern: Verurteilen tut die Judikative.
Willst mich bloßstellen, Razzle? Hältst mich für deppert? Ich weiß schon, was ich schreib.
Mann, und worauf wartest Du dann noch? Und jetzt komm net wieder mit’m Schreib-Ich, nimm die Hand und die Bahn und den Zug Heimatluft. Bimbam.
Schreib-Ich kommt bald. Versprochen;)
Bilder meiner Heimat kennen keine Täler und nur Horizont. Statt in ein Bild bin ich gleich ganz in die Heimat getaucht. Wenn auch nur kurz. Morgen kehrt die Stadt zurück, morgen fahre ich an beiden Müllkippen vorbei. Eine, direkt wenn ich meine Heimatstadt verlassen habe, und eine, direkt bevor ich in die Wahlheimat zurückkehre. Beide in Fahrtrichtung links. Und morgen lese ich diesen Text nochmal. Mit mindestens derselben Begeisterung wie heute. Chapeau, Großer.
Das ist lieb, Ole.
So bin ich.
Nur manchmal, aber.
Zu den Wichtigen.
Wie jetzt.
In den Iden des Märzen – wenn die anderen zurückkehren – werde ich aufbrechen. Und rasten am Nordstrand oder die Beine baumeln lassen von steinernen Brücken …
*
Frühling
Die wildesten Orkane wüten
Durchtoben Nacht und Träume
Aprilschnee fällt auf Hoffnungsblüten
Und sturmgefällte Bäume
Zeit zu lieben, Zeit zu sterben
Der Suizid hat Hochsaison
Zeit der Schöpfung und der Scherben
Tag der Reinkarnation
Dem Müden schlägt in dieser Stunde
Da ringsumher die Säfte steigen
Der Gong vielleicht zur letzten Runde
Ein früher Monat schließt den Reigen
Heimgekehrter Vogelzug
Allein die Schwalbe zögert noch
Güllegeruch und Pollenflug
Die Sonne reißt ein Wolkenloch
Gähnend spürst du die Natur
Junger Vogel, nestentfallen
Man frißt dich nicht, man tötet nur
Die Katze wetzt die Krallen
Der Fluß erschwillt zu brauner Flut
Das Weibchen weibt und läßt sich schnappen
In allen Adern rast das Blut
Die Schwulen schwirren um die Klappen
Für klingelnde Kassen den Stadtpark geschunden
Der Mörder wirft sich in die Brust
Von trampelnden Massen unheilbare Wunden
Der nächste Tod kommt im August
Im Hofgarten pflanzt Fachbotanik
Trompetenzungen für die Jungen
Hallus, Dillies, Zombiepanik
Anstatt Cannabis in den Lungen
Lethal?
Legal! Der Lenz ist da, egal …..
Hoffen wir mal für uns beide, dass das nicht die letzte Runde wird, Edi. So oder so: gehn wir’s nochmal an. Einer geht noch. Ein Frühling. Muss ja.
Anbei: Tolles Gedicht. Und: Der Nordstrand freut sich über Besuch, ganz klar.