Eine eher larmoyante Woche verabschiedet sich in einen saftlosen Freitag. Eigentlich sollte ich ausgeruht sein, doch eine rauschhafte, nihile Müdigkeit hat sich meiner unlängst bemächtigt und passe ich einmal nicht auf, nimmt mich Morpheus in seine wiegenden Arme und taucht mit mir unter den Teich meines Bewusstseins, in dem es keine Inhalte, nur dumpfen Schlaf gibt. Lediglich beim Auftauchen streifen wir gelegentlich verfaulendes Algengewächs auf dem Weg in die Sickergrube meiner Erinnerung.
Als der Bürotag geht, kommt der Regen. Und er ist im wörtlichen Sinne nassforsch. Er watscht mir das Gesicht ab, er löchert mein Hemd und er treibt mich zurück in meine Residenz über dem Nordstrand, der auch schon mal illustrer aussah. Morpheus klingelt, aber ich mache nicht auf, soll er seine Broschüren anderen Insomnösen andrehen. Ich klettere in mein Cockpit aus Spuren, Samples und VST Plugins und streiche den Freitag abend dunkelblau mit Songtexten wie diesem:
She says: hang on in there. I know she don’t. I thought she would. And I wish I could.
In Verleumdung jegliches Lebens ausserhalb dieser Wohnung verstricke ich mich immer tiefer in dem einzigen was ich gerade mal einigermaßen kann. Als ich fertig bin, fehlt mir die Stimme und die Lust den Tag so enden zu lassen. Ist es doch meine hehrste Aufgabe, sich allzeit der Gezeiten zu erwehren und das unmögliche möglich zu machen. Was in diesem Falle heisst, nochmal Berliner Nachtluft inhalieren, bis einem schwindlig wird.
Gegen eins schwimme ich in einem Thymianvollbad, gegen halb zwei treibe ich schon durch den von Regen entweihten Prenzlauer Berg. Ich bin halbseiden mit einer alten, viel zu jungen Liebschaft verabredet und als sie nicht in dem Klub auftaucht, bin ich luxuriös erleichtert. Eine sympathisch toxidierte Menge Engländer, Iren und Deutsche bewegen sich sehr unpeinlich zu großartiger Musik. Modest Mouse. Art Brut. Maximo Park. Und überhaupt: Alright, don’t worry we’ll all float on. Die Mädchen sind überwiegend hübsch und überwiegender verstört, prächtig anzusehen, so wie die Jungs die sie ausführen.
Die chemische Reaktion zwischen Wodka und dem Energiegetränk beginnt und das Blut fängt an, leise zu rauschen. Über der Tanzfläche thront ein Teufel ohne Kokain. Nur er, sein Drink und seine Lust am Überleben. Ich forme ein großes Herz mit den Gedanken und zersteche es mit meiner Biestigkeit. Ich gefalle mir in der Rolle des Ausschwärmenden. Aber auch in der Rolle des Heimkehrers. Und in der Rolle des stetig Fallenden und ewig Steigenden. Kurzum, ich bin betrunken. Auf dem Nachhauseweg sehe ich nach, ob meine Band noch im Café um die Ecke lebt und trinke noch einmal auf den Triumph der Nacht über den Tag. Als ich am Nordstrand ankomme, steht Morpheus schon frierend vor der Tür. Ich schließe ihm auf und lasse ihn seine Arbeit verrichten.