Cowboys

Wir sind zu viert. The Kid, Doc Vulture, Buffalo Pete und meine Wenigkeit, The Man in Black. Und wir sind auf dem Weg ins Biedersteiner Studentenwohnheim in München Schwabing-Nord. Vorher haben wir uns die Faschingsfolge von „Münchner Geschichten“ angeschaut, den „langen Weg nach Sacramento“. Einmal so cool und gleichzeitig so linkisch sein wie der junge Günther Maria Halmer.

Natürlich sind wir alle mit Knarren ausgestattet. Alle, bis auf Buffalo Pete, der einen Mann mit bloßen Händen kaltmachen kann, behauptet er. Auf dem Weg zum Faschingsball im Keller besagten Wohnheims machen wir Halt in einem Saloon. Wir setzen uns nebeneinander an die Theke und hämmern zur Begrüßung die rauchenden Colts auf den Tresen. Der Wirt gibt uns vier Bier und vier Whiskey aus. Wir reden über früher, als wir noch auf der Ranch lebten. Bevor man unsere Frauen erschossen hat oder sie mit irgendwelchen Gringos aus Indien (ich weiß, das ist ein Widerspruch in sich) davon sind. Dann stehen wir auf und gehen, werfen achtlos aber lässig das Trinkgeld auf den Tresen.

Auf dem Biedersteiner Studentenfasching hat man strenge Waffenkontrollen eingerichtet. Wir überlisten die Hilfssheriffe, indem wir die Revolver unter unseren Cowboyhüten verstecken. Dann sind wir drin. Ich begrüße jede Frau, indem ich meine Hutkrempe hinauf schiebe und ein gutturales „Lady“ in den Raum werfe. Das kommt gut an. Sobald unser finsterer Vierertrupp einen Priester erspäht, ziehen wir die Hüte und lassen uns segnen. Entdeckt einer von uns allerdings einen anderen Cowboy mit einem Sheriffstern an der Brust, umzingeln wir ihn, schießen auf seine Füße und schreien ihn an: „Jetzt musst du tanzen, Gringo.“ Und: „Du verlässt besser noch heute abend die Stadt.“ Indianer werden freilich direkt abgeknallt, außer die Squaws.

Nach zwei Stunden zerstreut sich unsere kleine Gruppe langsam und wir werden zu betrunken, um weiter wie Cowboys zu reden. Während sich Doc Vulture und Buffalo Pete in einer dunklen Ecke postiert haben und argwöhnisch das immer burlesker werdende Fußvolk begutachten, haben ich und The Kid uns längst unter jenes gemischt. Irgendwann sehe ich The Kid mit einem gemütlich-puschigen Playboyhasen im Nahkampf befindlich und setze mich enerviert an die Bar auf eine weitere Whiskey Cola. Plötzlich steht sie neben mir, in einem bis zum Existenzminimum knapp geschnittenen Leopardenkostüm und einer roten Pagenkopfperücke.

„Ah, da Burnster. Servus. Lang schon nicht mehr gsehn.“

„Da schau her, die Sabine. Wohnst du auch z’Minga?“

„Freilich, ich bin hier Grundschullehrerin.“

Aha, denke ich. Die Sabine. Damals in Regensburg ist sie ja nie so recht angesprungen auf meine Cowboymasche, aber heut entschuldigt mich der Fasching. Leider bin ich schon ziemlich betrunken und unser Gespräch verläuft eher einsilbig von meiner Seite aus und es ist nicht meinem Clint-Eastwood-Gimmick geschuldet. Irgendwann sind meine Cowboyfreunde gegangen und ich und Sabine liegen auf einer Bierbank und knutschen etwas unmotiviert durch die Gegend. Ich schaffe es gerade noch, sie über den Schwabing Trail mit nach Hause zu nehmen und ihr das Leopardenkleid auszuziehen, für alles weitere bin ich nicht mehr zuständig, weil mich der Schlaf der gerechten übermannt, zurückzuführen auf die glorreichen sieben Gin Tonics, die ich mir für eine Handvoll D-Mark gekauft habe.

Zwei Tage später kehren The Kid und The Man in Black auf den Studentenfasching zurück. Ausgerechnet Doc Vulture hat in der Zwischenzeit eine Zerrung am Außenband erlitten und Buffalo Pete sind die Dollars und das Dosenbier ausgegangen, das er sonst immer in den Satteltaschen hat. Doch Kid und ich sind weiterhin in Bestform. Am Eingang werden uns zwar die Revolver abgenommen, doch wir schmuggeln sie später durch das Kellerfenster wieder hinein. Vorher schießen wir aber noch auf vorbeifahrende Autos am mittleren Ring.

Während Kid sich mit einer Blondine mit schwarzer Perücke im Inderkostüm verlustiert, kann ich mich nicht zwischen Leoparden-Sabine und einer gewissen Annika entscheiden und laviere so lange hin und her, bis sich Sabine entscheidet und zwar für einen Typen in Leopardenweste. Da trifft es sich dennoch gut, dass der Kid in Antjes Schwester verliebt ist, denn so gehen wir um 7 Uhr morgens noch mit Antje und ihrer Schwester auf Spare Ribs ins Lamms und sitzen mit ein paar freundlichen Zuhältern und Nutten an einem Tisch. Es ist wie im Wilden Westen.

Die Ladies werden uns aber schnell zu nüchtern und auf den nächsten Tag konzentriert, dehalb machen wir uns aus dem Staub und reiten noch einsam die Isar bei der Reichenbachbrücke entlang, wo ich meiner unglücklichen Liebe eine Kurzmitteilung, äh, ein Telegramm verpasse, das ihr vermitteln soll, wie gern ich sie jetzt hier bei mir im Sattel hätte. Sie reagiert mit einem lakonischen:

„Danke fürs Aufwecken. Habe eh einen anstrengenden Tag vor mir.“

Dann setzen wir uns in ein Cafe in der Leopoldstraße und trinken ein paar Bier bis ein lädierter Doc Vulture in Cowyboyhut und Ledermantel zu uns stößt und wir zusammen ins Büro stapfen. Es ist der Faschingsdientag mittlerweile. Dort gehen wir direkt zum Programmchef ins Büro, strecken ihm die Revolver ins Gesicht und fordern mehr Johnny Cash im Tagesprogramm. Das findet er gar nicht so wahnsinnig komisch.