Der Befund

Eine kurze aber langwierige radiologische Anekdote

Vor über einer Woche hatte ich dann dieses MRT. War gar nicht so unangenehm, die Schwester war freundlich und attraktiv und streichelte zur Beruhigung kurz mein Bein bevor es in die Röhre ging. Ich wollte diese Untersuchung nicht unbedingt machen, aber ein Experte für invasionäre Rückenbehandlung brauchte ein aktuelles MRT, um meinen Bandscheibenvorfall erneut zu verifizieren. Mein behandelnder Orthopäde schätzte allerdings, dass dies reine Geldmacherei sei. Ich ließ den entstandenen Befund sogleich zum Experten und zum Orthopäden faxen und brachte die Röntgenaufnahmen sogar persönlich im Sekretariat des Experten an der Charité vorbei. Ich selbst hatte den Befund nicht bekommen, aber ich rechnete ja fest mit einem Anruf des Experten in Kürze.

Als der nicht kam und ein paar Tage ins Land zogen, stellte ich fest, dass der Experte schon in Sommerurlaub gefahren war und so rief ich bei meinem Orthopäden an, um ihn nach dem Befund zu fragen, schließlich konnte es ja sein, dass sich mein Prolaps verschlimmert hatte, zumindest fühlte sich das seit ein paar Wochen so an. Die mir bekannte Sprechstundenhilfe versprach einen Rückruf. Zwei ohne Rückruf verstrichene Tage später rief ich wieder in der Praxis an und fragte nach meinem Rückruf. Worum es bei dem Rückruf ginge, fragte man mich und ich war dumm genug, ehrlich zu antworten, es ginge um die Einsicht in meinen aktuellen radiologischen Befund. Das war ein Fehler, denn jetzt wurde ich so richtig abgebügelt von wegen Rückruf und ob ich denn nicht wisse, dass ich ohne einen Termin beim Arzt keine Einsicht in meinen Befund bekäme. Nein, wisse ich nicht, ich will auch keinen Termin, weil ich nicht erst eine Woche warten will. Ob sie nochmals nach dem Rückruf fragen kann. Die gute Frau log mir in die Leitung, dass sie den Doktor konsultiere und ich hörte wie sie ihre Kollegin am Empfang fragte: „Befund am Telefon, nee, machen wir nüscht, oda?“. Dann teilte sie mir mit, dass es keinen Rückruf geben werde und ich einem Missverständnis aufgesessen sei. Daraufhin wurde ich etwas laut und auf ihre Frage, ob ich denn nun einen Termin wolle, meinte ich, dazu müsste ich mich erst wieder beruhigen und legte auf.

Am nächsten Tag machte ich mich auf zur radiologischen Praxis, wo das MRT ja erstellt wurde. Das geschah auf den Rat meines Phyisiotherapeuten hin, der meinte, ein aktuelles MRT wäre auch für seine Behandlung hilfreich. So stand ich nun in der radiologischen Praxis und wollte meinen Befund einsehen. Ob ich nicht wisse, dass das nicht ginge, meinte man zu mir. Man hätte den Befund ja schon an den behandelnden Orthopäden und den Experten von der Charité geschickt. Ich solle mich doch dahin wenden. Ich entgegnete, dass der Experte im Urlaub sei und der Orthopäde mir ja erst einen Termin geben müsse, ob man den Befund nicht auch an den behandelnden Physiotherapeut schicken könne, den sehe ich am ehesten. Ja, das sei die Lösung. Könne man. Ich solle einfach die Faxnummer dalassen. Jetzt muss ich zugeben, dass ich die Faxnummer nicht parat hatte und das Googeln im iPhone leider eine falsche Faxnummer zu Tage förderte. So rief mich die radiologische Praxis am nächsten Tag an, um mich auf die falsche Faxnummer hinzuweisen. Dankbarerweise hatte sie aber einen Lösungsvorschlag parat: Ich solle bei der Physio anrufen und diese selbständig den Befund anfordern lassen. Gesagt, getan.

Zwei Tage später ruft mich der Physiotherapeut an und meint, er wäre jetzt endlich mal bei der Radiologie durchgekommen und die hätten ihm gesagt, er bekomme keinen Befund ohne die schriftliche Vollmacht des Patienten. Okay, ich rufe also unter schwerem Seufzen bei der Radiologie an und wundere mich, warum man mir denn empfohlen habe, der Physiotherapie zu empfehlen, sich den Befund direkt bei der Radiologie zu holen, wenn die Radiologie ihn nicht rausrücken würde. Die Rezeptionistin seufzt mindestens genauso schwer und empfiehlt mir, den Befund bei meinem Orthopäden abzuholen. Das will ich nicht, sag ich, da bräuchte ich extra einen Termin und wer weiß, wann ich den bekomme. Sie verbindet mich mit einer Kollegin, die nicht seufzt, sondern lacht und sagt, es wäre jetzt eh schon alles so kompliziert, ich könne den Befund einfach jetzt doch persönlich abholen, wenn ich in der Nähe wohne. Und wie ich in der Nähe wohne.

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Sinai

Und dann eben auf dem Sinai gewesen. In Ägypten, dann aber doch wieder nicht in Ägypten. Irgendwie. Grauenvolle Anreise mit einem bis unters Dach vollgestopften Trombosebomber (Zitat Rod Gonzales) von Air Berlin, das sind die mit dem Kerosin im Blut. Angekommmen und sofort unter 200 Touristen vom Campchef erkannt worden, in einen Jeep umgetopft und zwei Stunden ab durch die Wüste, vorbei an Dahab und bei Nuwaiba ab ins Lager, das sinnigerweise RockSea hieß. Ich vermute mal, es handelt sich nicht um einen Zufall, dass die 18jährige, allen Beduinen den Kopf verdrehende Tochter des Hauses auch Roxy gerufen wird. Dufter Typ, unser Campchef namens Micha. Früher mit Atze Schröder unterwegs aber aus gottgegebener Duftigkeit die Komödiantenkarriere gegen ein Dasein am Roten Meer eingetauscht.

Wir also mitten drin in der Wüste und gleichzeitig am Korallenriff geparkt. Mit Blick aufs gegenüberliegende Ufer des Golfs von Akaba, 20km weiter nach Saudi-Arabien. Hier wird geschnorchelt sagte man uns und geschnorchelt wurde dann auch. Bereits am ersten Tag ohne Taucherbrille schlitzte ich mir an der Koralle das halbe rechte Bein auf und ging fortan nur noch sporadisch ins Wasser. Mit Taucherbrille. Das ist dann so, als taucht man im Berliner Zoo-Aquarium. Ziemlich freakige Fischshow. Oder fischige Freakshow. Wie auch immer, wenn einem dann wie meinem Kollegen Juri ein kindsgroßer weißer Fisch widerfährt, fragt man sich gelegentlich schon, ob es die Natur hier noch gut mit einem meint. Ähnliche Fragen warfen die am Eingang zum Riff lauernden Feuerfische auf und geradezu menschenverachtend gebärdeten sich die ortsansässigen Moskitos, die sich pünktlich zum Schlafantritt in einer gut organisierten Streit- und Stichmacht aufgestellt hatten, um unsere Blutarmeen bis auf den letzten Tropfenmann aufzureiben. 40 Stiche zählte ich mal eines Morgens auf dem Rücken des Kollegen.

Dabei haben wir weder denen noch sonstwem noch überhaupt irgendetwas getan, sondern lagen die gesamte Woche auf der zutiefst faulen Haut, alternierend lesend, wattend (für die Preußen: bayerisches Kartenspiel) und schlafend. Nachts dann, mit den Füßen fast in den Wellen, zu Abend gegessen: Sagenhafte Pizza vegetarisch von Beduinen interpretiert. Ägypter haben wir ohnehin nur an den zahllosen militärischen Checkpoints gesehen, sonst nur Beduinen. An besagten Checkpoints standen dafür jeweils ca. 8 schwerbewaffnete Menschen, von denen sich jeder autark für sich ganz genau überlegen durfte, ob er die Eintreffenden denn nun durchwinkt oder nicht. Und es waren nicht die einzigen Zeichen staatlicher Willkür, denen man in einer Woche begegnen konnte. Diverse Augenzeugen berichteten von mitunter blutigen Zusammenkünften zwischen ägyptischer Polizei und Beduinen. Ein Konflikt, zwischen dessen Fronten man nicht geraten möchte. Nicht zuletzt deswegen, weil vor ein paar Jahren (u.a. im Nachbarcamp) ein paar Bomben ein paar Leute zerlegt hatten.

Zerlegt hat uns allahseidank lediglich der mitgebrachte Ouzo und das ausgezeichnete linzenzgebraute ägyptische Stella. Meine Güte, was für ein super Bier, nicht wie das belgische Stella, sondern süßlich wie bayerisches Helles. Ein Lager zum vielmaligen Einlagern in die eigene Leber. An einem der Abende wo wir nicht den Vollmond aufgehen sahen und in den Wellen dinierten, fuhren wir mit dem Campchef in seinem Jeep auf eine neu fertiggestellte Burgruine mit Pool, Tanzfläche, Luxusapartement, Edelküche und Schatzkammer. Das Ding hoch auf einer Klippe über einem riesigen Sandstrand den der ägyptische Entrepreneur gleich mit gekauft hat. Man kann überhaupt sehr viel kaufen da unten, wenn man den Klingelbeutel aufmacht und die Augen davor verschließt, dass jede weitere Bombe den eh schon spärlichen Tourismus am Sinai weitere 15 Jahre in der Zeit zurückwirft. Wie der Beduine an sich, 500 Höhenmeter unter uns so eine Örtlichkeit empfindet, ich möchte es gar nicht wissen. Robert De Niro war wohl vor kurzem da gewesen und hatte sich noch geärgert, weil man ihn von Sharm El Sheikh aus 2 Std durch die Wüste verschleppt hatte, nur damit er in einer falschen Ruine sein Bier trinken darf. Überhaupt ist das ein seltsames Land, dieses Ägypten. Einerseits rasseln die Ketten des Tourismus so laut, dass man bald nichts anderes mehr hört, andererseits wird man als Tourist per se als Ungläubiger wahrgenommen und ohne den Ansatz eines schlechten Gewissens nach Strich und Faden verarscht. Wobei ich die Beduinen und freilich unsere Campfamilie explizit ausnehmen will.

Nach einer Woche wars dann aber auch genug mit mittelos im Mittlerem Osten, denn auch wenn ich mal dachte, dort wo es nie regnet, kann es nur super sein, hab ich mich tatsächlich über das schaurige Wetter in Berlin gefreut. Bevor wir das allerdings in Empfang nehmen konnten, wurden wir noch fast verschleppt. Zumindest war mir so, als unser an sich liebenswerter Raybantragender Taxifahrer Saad mitten in der Wüste angehalten hat und uns zwang in einen fremden Wagen einzusteigen. Gut, war sein zutiefst freundlicher Bruder, der den Rest der Strecke zum Flughafen weiterfuhr, aber hätte ja sein können. Als wir uns dann wenige Stunden später in der Air Berlin Schlange in Begleitung von Heerscharen ledergesichtiger und herummaulender hässlicher Deutscher widerfanden, tat uns jedes schlechte Wort leid, das wir über die Araber verloren hatte. Die Kulturen mögen grundverschieden sein und die meisten Länder dieser Welt unzivilisierte Wallachei, aber Arschlöcher sind sie überall zu gleichviel Prozent.

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