Die ganze verdammte Show

Vielleicht hat es sich ja schon rumgesprochen, dass ich ein ausgesprochener Wrestling-Nerd bin. Ich rechtfertige das jetzt auch gar nicht, denn ich weide mich ja auch wie ein Schwertransporterunfallgaffer jeden Donnerstag an den faschistoiden Platitüden der Popstars-Jury. Ich bin kulturell quasi eh nicht mehr zu retten. Was ich aber berichten möchte ist, dass ich am Freitag einfach mal so von Berlin nach Regensburg gefahren bin, um mir eine Wrestling-Veranstaltung in der Donauarena anzusehen. Ich wollte so ein bisschen The-Wrestler-Ambiente, also nicht das teure und überzogene Produkt der WWE (World Wrestling Entertainment). Aber genug von Fachsprache.

Die Arena sieht so aus, als würden 5000 Leute reingehen, immerhin weiß ich aus meiner Studentenzeit, dass nach der Eröffnung mal Bryan Adams da gespielt hat. Selbstverständlich war ich nie in der Halle, weil man ja nicht gerne zu Andre Rieu oder Lord Of The Dance geht. Auch nicht zu Bryan Adams. Kamen mit dem Taxi aus dem Etap-Hotel, also frisch aus der Plastiknasskammer, kann man sagen. Statt 5000 Leuten sind nur knapp 300 da. Und von denen werden die unter 16-Jährigen einfach nach Hause geschickt, weil der Stadtrat am Vorabend beschlossen hat: Showcatchen ist nichts für Kinder, auch nicht mit Erziehungsberechtigung in Anwesenheit, weil Catchen und Gewalt und so, kann man sich ja denken. Also letztlich ein recht trauriges Bild: 300 Leute in der 5000er-Arena. Auf dem Weg zum Sitzplatz am Ring sitzt da Bret Hart an einer Bierbank und gibt Autogramme. Bret Hart, der Hitman, The Excellence Of Execution, Idol meiner Kindheit und ein paar zerquetschter Pubertätsjahre. Sitzt da und lässt die Autogrammstunde über sich ergehen. Sieht wahnsinnig müde aus, der Mensch. Und man glaubt ja immer, dass man bei Menschen nach einem Schlaganfall genau sehen kann, dass der Mensch einen Schlaganfall hatte. Weil komische Bewegungen und so. Bildet man sich vielleicht aber auch nur ein. Wir diskutieren eine halbe Ewigkeit, ob man sich in der Autogrammschlange einreiht, dann tun wir es und ein Baseballcap vor uns ist direkt Schluss mit Autogrammstunde, sagt die vollgasverlebte Tourmanagerin.

rvd

Ein paar Jägermeister später sitzen wir am Ring und alles leer, man hätte sich auch in die erste Reihe sitzen können, aber nicht dass man noch Blut ans Hemd bekommt, falls die Kollegen sich einen Bladejob gönnen. Schon wieder Fachjargon, aber heisst so, wenn sich die Wrestler mit einer versteckten Rasierklinge ins eigene Fleisch schneiden. Geht also los mit ein paar Spaßkämpfen mit eher weniger bekannten, aber auch unabgehalfterten Gesellen. Dann ein Frauenkampf mit einer Deutschen namens Alpha-Female oder so ähnlich. Prolletierte Tribal-Uschi mit Bierbauch gewinnt. Braucht kein Mensch, auch nicht mit drei Jägermeister und zwei Weißwein in der Hirse. Irgendwann dann Bret Hart mit Ansprache an die deutschen Fans, seine Lieblingsfans angeblich. Schon wieder die vermeintlichen Schlaganfall-Bewegungen beim Einstieg in den Ring. Dann eine Minute Ansprache, hallo, langer Flug, bin so müde und muss jetzt wieder gehen. Irgendwann dann auch noch Midget-Wrestling. Halbwüchsige hat mir David Lynch echt mies gemacht. Habe dauernd das Gefühl, beobachtet zu werden. In der Pause wird ja dann Bier geholt, um die Tristesse der Veranstaltung zu kompensieren. Wir stellen uns vor, wir sind beim Bierzelt-Catchen. Und plötzlich ist der Spaß da. Im sogenannten Main Event dann tatsächlich mit Rob Van Dam ein echter Star des Gewerbes, der sich überraschend viel Mühe gibt, gemessen an der Tatsache, dass der gerade vor weniger Publikum spielt als The Ram. Hardcore Match. Stühle. Tische. Schön.

Jetzt ist Zeit für die Altstadt. Alles Christkindlmarkt und Deko. Kein Ausweg aus der Vorweihnacht. Keine Ahnung wo man heutzutage in Regensburg hingeht, deshalb wie all die langen Jahre zuvor in die Nummer Sieben. Brechende Völle da und überhaupt die Weiber auf hundertachtzig so flirtmäßig. Der Christian arbeitet da immer noch, das beruhigt mich enorm. War mal mit einer Ex-Freundin von mir zusammen. Das hat uns immer so ein bisschen verbunden insgeheim. Bild ich mir wahrscheinlich nur ein. Der mitangereiste Kollege beordert mich mit strenger Hand um zwei Uhr nach Hause und gottseidank, weil ich grade mit Wodka und Bombay Sapphire schon wieder dabei bin, meine leichte Erkältung in einen schweren Rausch umzuleiten. Dann der rassistische Taxifahrer zum Etap-Hotel an der Autobahn. Zwei Ibuprofen und Wasser vor der Heia, weil Kopf am nächsten und halb 8 klingelt der Wecker, zurück nach Berlin und das restliche Wochenende tot.

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Wind Wetter Sex Gewalt

Das kann ja nicht gutgehen, wenn es so lauwarm draussen ist im November. Das muss ja den Einen oder Anderen auf dumme Gedanken bringen. Diese fönartigen Luftstöße aus dem viel zu blauen Berliner Himmel in die viel zu warme Stadt hinunter, das wühlt die Leute so auf, das glaubt man nicht. Es fing ja im Prinzip schon gestern Nacht an.

Vor mir ging so ein Mann und ein anderer kam ihm entgegen. Der Entgegenkommende sah den vor mir Gehenden mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen an. Neugieriger Hund wie ich bin, habe ich überholt, um zu sehen, was es denn da so Entsetzliches zu sehen gab. Und ich hab mich wirklich sehr gewundert. Der Mann, der dem Entgegenkommenden entgegen kam, sah genauso aus wie sein Gegenüber. Kein Wunder, dass sich der Entgegenkommende zu Tode erschrocken hat. Da hab ich schon gewusst, dass etwas nicht stimmen kann.

Heute morgen dann in der Friedrichstraße eine Polizeikolonne ohne erkennbaren Grund. Danach das Wetter in Neukölln ein einziger lauwarmer Stoß aus Regen und Wind. Dann hab ich in der U-Bahn nach all den langen Jahren herausgefunden wie man gut ankommt bei den Frauen. Also denen in der U-Bahn zumindest. Weißes Hemd, schöner Mantel, graue Strähnen und das Wichtigste: Das Wetter vor 15 Jahren von Haas in der Taschenbuchausgabe lesen und dabei schauen, als könnte man kein Wässerchen trüben. Irrsinnsresonanz, glaubt man nicht. Aber erstens bin ich ja so zehnermäßig verheiratet, dass mir das auch nichts gebracht hat, ausserdem lags wohl nicht an mir, sondern an den Windstößen und der übernatürlichen Temperatur in der Stadt. Und natürlich an der Polizei.

Weiß doch jeder, dass man sexuell ganz anders stimuliert wird, wenn Gewalt in der Luft liegt. Zur Polizei komme ich gleich noch. Erst einmal hat die U-Bahn ganz lange angehalten und der Fahrer hat per Durchsage gefragt, ob ein Arzt in der U-Bahn ist, man benötige ganz dringend einen Arzt. Nach fünf Minuten ist die U-Bahn dann in die Haltestelle Rosenthalerplatz eingefahren und unten haben alle gedrängelt, um nach oben zu kommen. Oben warteten Hundertschaften von Polizisten und eine kaum zählbare Anzahl an Einsatzwägen. Das besetzte Haus in der Brunnenstraße. Das wirds sein. Hab ich mal zwei Wochen daneben gewohnt. Laut, die Leute da drin, meine Herren. Aber von mir aus können die da gerne wohnen, solange sie nicht so laut sind. Die vielen wartenden Polizisten scheinen mir aber auch ein wenig wirr von dem Wind zu sein. Viele schauen besorgt in den Himmel. Dort dröhnen und lauern die Polizeihubschrauber. Keiner weiß genau, was hier vor sich geht, die Polizei scheins auch nicht. Als würde gleich etwas in die Luft fliegen, so kommt einem das vor.

Gestern nacht stand ich an der Fußgängerampel und habe Musik aus Kopfhörern gehört. Draußen war der Verkehr einigermaßen laut und der Wind tobte um die Häuser. Die Ampel war rot. Ich hab die Augen zugemacht und trotz der Musik und des Winds gehört, wie die Leute auf der gegenüberliegenden Straßenseite losgegangen sind. Es war grün als ich die Augen wieder aufgemacht habe. Ich hab das alles so präzise wahrgenommen, dass ich mich gegruselt habe. Auch das hatte wohl was mit dem Wind zu tun, der die Geräusche so herüber geweht haben muss von der anderen Straßenseite. Auf jeden Fall wusste ich da schon, dass da etwas nicht stimmen kann. Jetzt sitz ich in der Wohnung und überall das Gebrüll von Sirenen und Helikoptern. Macht mich ganz scharf irgendwie.

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Enge Hosen

Da bist du ja grade noch rechtzeitig gekommen, duzt ihn die Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen.
Warum, fragt der Mandel zurück.
Na, weil jetzt bald die Jodhpurhosen da sind.
Die was, bitte?
Das sind diese MC Hammer-Hosen. So pluderartig, sagt die Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen.
Super, denkt sich der Max Mandel. Jetzt hat er sich nach zwei Jahren mal dazu überwinden können, sich so eine enge Hose zu kaufen, weil das jetzt ja alle tragen, die noch jünger sind, und jetzt kommt schon wieder was Neues.
Pluderhosen, das klänge fürchterlich, sagt der Mandel zu der Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen. Ob man da drum herumkäme und ob es sich rein modisch noch rentiere, eine enge Hose zu kaufen.
In Independentkreisen ist das ein zeitloser Klassiker, versichert ihm die Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen, was den Mandel ungemein beruhigt. Nicht, dass er sich jetzt zu einem Independentkreis gezählt hätte. Er ist schließlich schon längst zu alt für einen Kreis, ausserdem darf man sich da als Schreiber auch nie so festlegen. Aber der Mandel weiß, dass ein Independentkreis so rein stilistisch nie so daneben liegt, wo doch die Independence einfach nur ein Etikett für die neue Generation von Rockstars geworden ist, die wirklich jedes Mädchen gut findet. Von der Ku’Dammschnickse bis zur Elektromaus: wie die Strokes auszusehen, da spricht heutzutage gar nichts dagegen. Mandel lässt sich von der Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen ein paar enge Hosen geben und geht in die Umkleidekabine.

In der Umkleidekabine zwängt sich der Mandel dann in die enge schwarze Hose und fragt sich, ob ihm das damals in den 80er Jahren vor dem Metallica-Konzert auch so schwer gefallen ist. Master Of Puppets war da erschienen, der Mandel war 14 und hatte sich eine blaue Stretch-Jeans gekauft, weil damals hieß das noch nicht Skinny Jeans. Aber Angliszismen hatte man damals schon ganz verschwenderisch benutzt, da muss man sich nichts vormachen. Weil die Leute sagen ja immer: jetzt, die Nullerjahre, alles so schlimm mit Anglizismen. Stimmt gar nicht. Da schauen Sie in die Achtziger: Laserdisc, sag ich nur. Das war auf jeden Fall die erste enge Hose vom Mandel gewesen und dann hatte er sich aus abgeschnittenen Socken Schweißbänder gebastelt. Weil solche trugen die Männer von Metallica auch. In Schwarz. Und vor dem Spiegel hat er mit dem Zirngiebl Andi Headbangen geübt. Damit man Abend nicht blöd dastand, wenn alle anderen professionell headbangten und man selbst war unsicher in der Kopfbewegung. Sehen Sie, schon wieder ein Anglizismus. Headbangen.

Der Mandel hat jetzt die Hose an und die war um die Hoden herum schon arg eng, findet er. Also noch nicht so eng, dass es weh tut, aber schon so, dass er gesagt hätte, muss jetzt nicht sein. Er sieht sich im Spiegel an und findet, dass seine Beine zu kurz sind für die Stretchhose, die jetzt Skinny Jeans heißt. Er geht aus der Kabine hinaus und marschiert im Umkleidebereich auf und ab. Die Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen beobachtet ihn und sagt: Das sieht aber ganz gut aus, oder?
Das Oder irritiert den Mandel. War das nicht die Aufgabe von so Verkäuferinnen, solche Oders gar nicht erst aufkommen zu lassen?
Ich nehm die, sagt der Mandel, weil er zu faul ist, die enge Hose wieder auszuziehen. Das wird abends vorm Bettgehen schwer genug werden. Und so packt die Verkäuferin von der Boutique mit den engen Hosen die alte weite Jeans vom Mandel in eine Tüte mit dem Logo von der Boutique mit den engen Hosen und der Mandel zahlt schon in der neuen Hose. Und in der neuen Hose geht er auch auf die Straße und denkt ein bisschen darüber nach, warum ihn die Veronika Malleck jetzt eigentlich gestern gesiezt hat, wo sie doch nur fünf Jahre auseinander sind.

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Paris

Ich war diesen Sommer in Paris.

Man muss wissen, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie in Paris gewesen bin, von Zwischenstops am Charles De Gaulle mal abgesehen. Und jedes Mal, wenn ich vorhatte, jemanden aus meinem Freundeskreis dahin zu lotsen, hieß es: kenn ich, war ich als Kind, ist stressig und gar nicht so überragend. Die Vorstellung, da alleine hin zu fahren, behagte mir aus sozialromantischen Gründen nicht, also blieb ich daheim oder flog zum 130. Mal nach Barcelona. Jetzt bin ich aber verheiratet und hatte zeitgleich dazu im Sommer Geburtstag und hab mir von meiner mir angetrauten Mitbewohnerin diese Kurzreise gewünscht. Und mir kann man ja eh nichts abschlagen.

Zu der Zeit hat mich mein Ischias noch dermaßen gepeinigt, dass an ausgiebige Stadtrundgänge eigentlich nicht zu denken war. Meine Neugier (und das Ibuprofen) setzten sich letztlich aber durch und wir rannten im Hürdenlauf über die Kuppeln von Montmartre, ließen uns bis runter an die Seine fallen, affenzahnten durch den Louvre und kletterten wieder zurück auf den Place De Clichy und das drei Tage hintereinander. Jetzt lach nicht, aber der Eiffelturm hat ziemlich beeindruckt und ich war schon froh, dass unser altes Staatsoberhaupt damals bei der Besichtigung der eroberten Denkmäler sinngemäß gesagt hat: „Ach, das brennen wir doch nicht nieder. Muss halt Berlin noch schöner werden.“ Wir wissen ja, was draus geworden ist.

Aber das sind alles nur Nebenschauplätze, weil nämlich zwei ganz wichtige Sachen in Paris passiert sind. Am ersten Tag nahm ich noch eine Schmerztablette für meinen Ischias, am zweiten eine halbe, am dritten keine mehr und danach bis heute nie wieder, zumindest nicht mehr für meinen Rücken. Und das ist jetzt ein paar Monate her. Paris war also ein bisschen mein Lourdes. Und dann hab ich am ersten schmerzfreien Tag seit anderthalb Jahren, dem Sonntag, mein schönstes Stadtfoto aller Zeiten geschossen. Subjektiv gesehen, ist eh klar. Was nicht meine Schuld war, sondern die vom Licht in Paris. Und dieses Licht ist mir wegen dem Foto und dem Ischias in Erinnerung geblieben und wird es vermutlich den Rest meines Lebens bleiben. Was ich vom Essen nicht hoffe, denn da hab ich mir schon wieder den Magen verdorben mit so einem Kartoffelsalat. Ähnlich wie in Rom mit dem Tintenfisch. Aber das gehört jetzt wirklich nicht hierher.

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Zwischenstand

Ich war ja neulich wieder mal in München und da ist mir Folgendes aufgefallen:

Wenn man in München ausgeht, tut man das im Gegensatz zu Berlin immer eher mit einer positiven Grundeinstellung. Man geht also davon aus, dass man heute Abend noch Spaß haben wird. In Berlin geht man einfach nur aus. So wie man Lebensmittel einkaufen geht. Muss halt sein.
Die Münchner geben sich auch mehr Mühe mit ihren Kneipen und Clubs. Da gibt es Mottos und Dekos und die verrücktesten Cocktails, während in Berlin im Prinzip eine Theke und ein paar Becks ausreichen.
Die Münchner scheinen mir auch flirtwilliger, die Leute in Berlin flirten nicht, die ficken halt gern. Am besten ohne vorher nett sein zu müssen.
Die Münchner wissen zudem immer ganz genau, was in ihrer Stadt so alles los ist und können auch sehr genau benennen, warum sie ihre Stadt so lieb haben. Die Berliner kaufen sich bestenfalls die Zitty, wissen aber sonst nie wann grade was ist und oft ist es ihnen auch egal, weil sie einfach in die Bar gehen, die am nächsten an ihrer Wohnung liegt. Die Berliner sagen auch nicht, warum sie Berlin so schön finden, denn so viele Gründe würden ihnen ja auf Anhieb gar nicht einfallen.
Die Münchner erzählen gerne, wenn irgendwo in der Zeitung stand oder im Fernsehen kam, dass München zur Zeit die aufregendste Stadt Deutschlands ist, während die Leute in Berlin in ihrem partiellen Irrglauben, das wäre Berlin, nichts erschüttern kann.
Münchner machen einen andauernd auf das gute Wetter und die tolle Sicht auf die Alpen aufmerksam, während Berliner nur über den Winter und die Kälte schimpfen.

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