Kurzkritik zu Logan

Jetzt ist es passiert. Endlich hat auch ein Marvel-Titel (mit der starken Einschränkung der 20th Century Fox-Lizenz) seinen dystopiösen und noch dazu vor Brutalität sprudelnden Nachdenkfilm. Dass dafür die ewig hadernde und grantelnde Sauklaue Wolverine herhalten muss, lag ja schon immer in der Natur der Figur. Selbst wenn der Film entgegen aller Fanboy-Hoffnungen so gut wie gar nichts mit dem teils recht gehässigen, aber originellem „Old Man Logan“-Comic zu tun hat, nutzt er trotzdem eine ähnlich alternative Timeline (sprich: gibt einen Scheiß auf das Chronologie-Zinober der X-Men-Filme), um seinen Figuren jede Menge Gewalt anzutun und den Game-Of-Thrones-erprobten Zuschauer auf die Streckbank einer Welt zu schicken, in der Genozid und Gentechnologie ein und derselben Lust und Laune entspringen.

Mir persönlich ist das zu brutal und zu negativ, ich brauche nicht die ständigen Zerfetzungen und die Omnipräsenz von Weltuntergang. Das hab ich im echten Leben zur Genüge. Davon abgesehen hinkt Mangolds zweiter Wolverine-Film auch unabhängig von meinem Gusto dem Zeitgeist hinterher. Nolans Dark Knight war bahnbrechend in Sachen „grounded & gritty superheroes“, und selbst dem vorausgegangenen Japan-Wolverine hätte dieser Ansatz noch ganz gut getan, aber 2017 kommt mir die Grundstimmung des Films verspätet postapokalyptisch (see what I did there) vor.

Klar, Hugh Jackman ist die Sympathie für die Rolle immer noch anzumerken – sein immenser Bartwuchs spielt sich stärker denn je in den Vordergrund – und Patrick Stewarts siechend kreuzfideler Professor X ist die bisher stärkste Inkarnation der Figur, aber Logans verwilderte und tollwütende Teenager-Tochter, der handelsübliche fanatische Wissenschaftler (Typ Mengele) und Boyd Holbrook als immer leicht gelangweilt wirkender Cyborg-Söldner Donald Pierce sind zu stereotyp, um diese finstere Realität auch wirklich als real zu empfinden. Deshalb gibt es auch keinen glaubhaften Antagonist und Hugh Jackman muss Doppelschicht als sein eigener Bossgegner schieben.

Fazit: „Logan“ mag auf den ersten Blick aussehen wie der Autorenfilm unter den Superhelden-Flicks, bleibt aber dann doch nur ein gut getarnter Wolvie-Slasher. Er ist trotzdem der beste der drei Wolverine-Stand-Alone-Filme, das ist ja auch was wert.

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Kurzkritiken zu The Autopsy of Jane Doe, Ghostbusters (2016)

The Autopsy of Jane Doe:
Käse with a twist. Aber trotzdem Käse. Guter Gore, aber die Dialoge sind der eigentliche Horror. Die guten Bewertungen liegen sicher auch an den Vorschusslorbeeren für Tollhunter-Regisseur André Øvredal, dessen moderner Found-Footage-Klassiker diesem Film etwas Gravierendes voraus hat: Humor.

Ghostbusters:
Auch Käse. Der weibliche Cast ist stereotyp und muss sich ziemlich blöde Chauvi-Sprüche vom Mackergeist gefallen lassen. Darf außerdem dem Assistenten anzüglich hinterher hecheln, als ob das eine positive Eigenschaft wäre, die man sich als Frau endlich auch mal gönnt. Kristen Wiig find ich großartig, die Gags dafür alles andere als geistreich, und ich kann auch keine Filme mehr sehen, die ständig und zwanghaft auf die Originale anspielen müssen, damit die „jetzige“ Generation auch wirklich kapiert, warum das früher so toll gewesen ist. Dabei lag das hauptsächlich an Bill Murrays Adlib-Exzessen.

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Kurzkritik zu Wilde Maus (Berlinale-Vorführung)

Ich mag Josef Hader. Sehr. Als Kabarettist, als Comedian, als Schauspieler, als Autor. Ich bin nicht sicher, ob ich ihn als Regisseur mag. Er hat versucht, einen Film zu machen, der das Beste aus den Filmen vereint, in denen er bisher mitgespielt hat und damit meine ich nicht Nora von Waldstetten, die ich trotz ihres unabstreitbar großen Talents nicht ausstehen kann.

Es ist ein bisschen Schmäh (wie in Komm süßer Tod), ein bisschen Kriminalistik (wie beim Brenner), ein bisschen Buddy-Komödie (wie in Indien), ein starkes bisschen Verlierer-Drama (wie beim Aufschneider) und ein Häuferl Slapstick oben drauf, siehe die visuell hinreichend kolportierte Nacktszene im Schnee. Aber es hat überhaupt keine Richtung. Ausgerechnet Haders Figur des Musikkritikers Endl wirkt am unglaubwürdigsten, seine Reise ist eine viel zu oft in der Kulturgeschichte bemühte Sinnsuche des „schwierigen“ Mannes über vierzig. Es geht ums Älterwerden und um die damit verbundene Verunsicherung (dick aufgetragen durch die Radio- und Fernsehmeldungen von Flüchtlingen und Terrorgefahr), aber das ist mir im Falle Georg Endl alles zu naheliegend oder nicht subtil genug.

Haders andere Figuren sind dagegen dicht (in beiderlei Sinne), ihre Dialoge sind an sich gut, aber wirken oft zu sehr geschrieben. Die Schauspieler taugen mir enorm, allen voran Pia Hierzegger, aber auch Jörg Hartmann und der mir aus der Sendung mit dem Elefanten vertraute Dennis Moschitto legen ein irrwitziges komödiantisches Timing an den Tag und machen aus urst klischeebehafteten Rollen wie der frustrierten Ehefrau, dem schwulen Veganer und dem scheiß Chef, lebendigere Figuren als ihnen das Drehbuch vermutlich zugestanden hätte. Es gibt eine Szene, wo Endl mit seiner Frau im Auto sitzt und witzige Sätze sagt, die auch vom Bühnenmensch Hader stammen könnten und seine Frau lacht, weil er halt schon auch ein witziger Typ ist. Da fällt die Figur für mich dann endgültig auseinander, weil ich dann nur noch den Hader seh und der nicht der verbohrte Musikkritiker ist.

Am Ende ist der Film dann wirklich nur eine gute Nummernrevue geworden mit einer Menge mittlerer Gags aber auch ein paar wirklich guten stilleren lakonischen Brüllern (contradictio in se, is Absicht), die man aber natürlich vom Hader so erwartet. Weiter so, will man zum Regisseur Hader sagen, weil man ihn ja so sehr mag, und sich ja schon auch amüsiert hat, aber kann man irgendwie dann doch nicht. Weiter, aber anders. Der Hader kann sicher noch mehr, noch eigener. Fast habe ich den Eindruck als hätte ihm seine Filmemacherei mit Leuten wie Murnberger und Schalko die eigene Schrulligkeit ausgetrieben.

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Das falsche Tagebuch: 01. Februar 2017

Kurz was über Musik.

Mit 11 oder so war ich unglaublicher Fan der ersten Dire Straits. Die mit „Sultans of Swing“, drauf, was aber noch nicht einmal mein Lieblingslied war. „Down To The Waterline“, „Lions“, „Water Of Love“ und „In The Gallery“ schlugen Sultans in letzter Instanz wegen dem Groooooove, nur beim Gitarrensolo gewann Sultans wegen dem schnellen Lauf am Ende, den ich bis heute nicht sauber mit Fingertechnik nachspielen kann. Aber auch sonst nicht. Die Platte war eh schon angekratzt als ich sie von meinem Dad übernahm, als ich mit ihr fertig war, war sie nur noch weißes Rauschen.

Einige Zeit danach, vielleicht Jahre, schenkte mir mein Onkel die „Making Movies“ als CD (meine erste CD) und von da an dachte ich, das wär das zweite Album der Dire Straits. Zunächst war ich schockiert über das viele Klavier, die weniger gewordenen Knopfler-Alleingänge, den aufziehenden 80er-Vibe, den Ansatz zum Epischen im Gegensatz zum Spartanischen und den gänzlich fehlenden rotzigen Jazz-Swing der 70er. Natürlich haben mich „Tunnel of Love“, „Romeo & Juliet“ und später auch „Expresso Love“ (der Song war schuld daran, dass ich jahrelang nicht korrekt Espresso bestellen konnte) schnell mit der Platte versöhnt, aber so richtig konnte ich trotzdem nicht verstehen, wie die Knopfler-Brüder (die sie mittlerweile ja gar nicht mehr waren) sich so schnell in Richtung Industrie-Rock wandeln hatten können und zwar nicht ihr gutes Songwriting, aber eben ihre Lässigkeit und den verlotterten Sound verlieren.

Irgendetwas fehlte da doch. Irgendein Übergang. Genau den entdeckte ich, als mich meine Eltern mal mit in die METRO (gab’s da CDs oder spielt mir die Nostalgie einen Streich?) nahmen und ich völlig achtlos im Regal eine blaue CD stehen sah, auf der „Dire Straits – Communique“ stand. Mittlerweile hatte ich die „Love Over Gold“ mit ihren Mini-Opern über emotionale Privatermittler und Industrialisierung gekauft und die extrapolierte „Brothers In Arms“ zu Weihnachten bekommen, hatte also im Grunde mit den alten Dire Straits abgeschlossen. Deshalb konnte ich eigentlich gar nicht glauben, dass diese unscheinbare blaue CD ein reguläres Album war und schaute auf die Jahreszahl der Veröffentlichung: 1979 – köpf mir einer ’nen Storch – also unmittelbar nach dem Debüt.

Ich konnte es wirklich nicht fassen, kaufte sie für ca. 20 Mark, hätte aber auch 50 dafür ausgegeben, und legte sie zuhause in den CD-Player meines Vaters. Und es war, als würde ich die Grabkammern von Nofretete entdecken. Einen verloren geglaubten Schatz, den missing link der Dire-Straits-Epochen, nochmal eine ganze Platte mit der rhythmischen Abgehangenheit der späten 70er. Dass die Songs bei weitem nicht so gut waren wie auf dem Debüt – drauf geschissen. Wochenlang hörte ich die CD rauf und runter, während ich auf dem C64 Miami Vice spielte.

Ich habe mich nie wieder in meinem Leben so über den Fund eines Albums so gefreut wie damals. Für andere wäre das vielleicht eine verlorene Dylan-Platte oder so, aber ich war ein Knopfler-Homer, wie es keinen zweiten im Landkreis gab. Ich schreib das jetzt, weil ich grade zufällig „Portobello Belle“ von der „Communique“ höre und mich frage, ob das Leben vor dem Internet noch ein bisschen mysteriöser war. Nicht, dass ich es vermisse, ich hatte Pickel und niemand hätte je ein Buch von mir veröffentlicht.