Palästina

How long will you wait
At the shady end of the slope
Am I already late
With my pyramide sized hopes
(Kashmir – Still Boy)

Die Mädchen im Zug scherzen herum. Mädchenscherze, das kann man hören, auch wenn man kein Hebräisch kann. Süß sehen sie aus mit ihren Locken und der dicken Schminke, auf jeden Fall nicht erwachsen. Die Uniformen sitzen toll, das sieht ganz organisch aus. Selbst die polierten Griffe der Maschinengewehre in ihren Händen glänzen angenehm träge in der Mittagssonne. Überhaupt ist die Stimmung ganz gelassen in dem Zug. Die Mädchen scherzen herum und der Rest telefoniert.

In Tel Aviv sitzen wir an dem Frühstückskiosk und trinken frisch gepressten Orangensaft. Am Nebentisch zwei Models, eins einheimisch, das andere wo anders her. Die Frühjahrssonne lullt uns in den Vormittag hinein. Kein Mensch möchte bei so einem Wetter arbeiten oder Krieg führen. Ich würde rauchen, aber mein Magen ist ruiniert. Unten am Meer, in Jaffa, mit den Katzen und dem Auf und Ab der kleinen Treppen, hat man den weißen Blick auf Tel Aviv. Die Hochhäuser dort kennen eine Menge Tricks und Kniffe. An einem Sabbath liegen die Leute am Meer und ein paar betätigen sich als Surfer. Das Dolphinarium ruht brach und verfault über dem Wasser, seit sich 2001 jemand freiwillig mit vielen Unfreiwilligen in die Luft gesprengt hat. Eine 747 kommt übers Meer, über den Strand, in die Stadt.

Nachts ist alles so, wie man es kennt. Die scharfen Weiber sind in den Clubs mit der scheiß Musik und die gute Musik ist da, wo die Ökos und Emos sich die Zeit vertreiben. Bist du DJ aus Berlin, bist du wer, das kann man den Südländern einfach nicht austreiben. Und die ganzen Restaurants. In Tel Aviv machen sie was aus ihrem vielen Gemüse. Anders als in Jerusalem, wo sie eine Gurke und eine Tomate in kleine Teile schneiden und damit hat sich’s. Mein ruinierter Magen hat eh nichts davon. Kein Mensch kann vernünftig Auto fahren und der Asphalt ist noch warm vom Nachmittag.

Der Busbahnhof von Jerusalem ist waffenstarr. Ich muss hier weg. Die alte Jaffa-Straße in die Altstadt. Vorbei am Markt, der unzerstörbare Markt. Alles wirkt wie eine Echtzeitumsetzung vom ersten Assassin’s Creed. Wie modellgetreu die Stadt von Süleyman dem Ersten immer noch wirkt. Wir suchen uns aus, ob wir über die Dächer gehen oder unten durch. Ein Labyrinth, ein Spiel, genau wie die Windungen und Ecksäle der Grabeskirche, wo der Griechisch-Orthodoxe die Leute ins Grab Jesu hinein- und wieder hinausherrscht. Der Tempelberg, der Felsendom, das gelobte Plateau, und es kümmert sich niemand um den Olivengarten dahinter. Der an die Stadtmauer heranreicht. Die Stadtmauer über dem goldenen Tor, das zugemauert ist, nur für den Fall, dass der Messias doch noch. Müll und Katzen in dem Olivengarten. Im arabischen Teil ist es lauter, freundlicher, gelassener. Niemand nimmt Notiz oder Abstand von uns. Wenn man muss, kann man miteinander.

Mitten in Bethlehem. Mitten in der West Bank. Eine Kolonne Autos der Fatah. Niemand schießt mit dem Maschinengewehr in die Luft, aber es wird gleich dunkel. Ich habe die Mauer zuerst für einen Schallschutz gehalten. Zu grotesk erschien mir die schiere Gewalt der Trennung. In Berlin kennen wir keine Mauern mehr. Über diesen Satz habe ich nachgedacht, ihn trotz des übermächtigen Klischees hier hinein geschrieben. Wir nehmen die falschen Abzweigungen und sind die plötzlich die Einzigen. Jetzt erkennt man uns. Alle sehen uns zu, wie wir etwas suchen. Ein unangenehmes Gefühl ist das. Zuflucht vor diesem Gefühl haben wir in der Geburtskirche gefunden. Die Holzbalken hoch oben haben was Katholisches in mir aufgeweckt. Eine Ehrfurcht. Ich habe mich ohnehin schon gefürchtet. In der West Bank. An den Checkpoints. In dem Land.

Die Ruhe vom Toten Meer ist schwarz. Eine stille Masse Wasser, lautlos, farblos und dunkel. Ein paar Meter nur nach Jordanien. Ein paar Meter nur bis zum heiligen Gral aus Indiana Jones und der letzte Kreuzzug. Um das Tote Meer herum ein paar ausradierte Landschaften. Leere Häuser, Einschusslöcher, Bushaltestellen. Mitten in der Wüste, gleich neben Jericho so tief alles unter dem Meeresspiegel. Still ist es, selbst wenn jemand vorbei fährt. Eine Rauchsäule, man denkt gleich Uh. Aber dann nur Palmenblätterverbrennung. Es riecht nach Verbranntem, kilometerweit und schon wieder ein bisschen Ehrfurcht, aber diesmal nicht katholisch. Im Bus spricht uns ein palästinensisches Mädchen an. Es geht in die sechste Klasse in Jerusalem und lernt Deutsch. Sie will wissen, warum wir hier sind. Überhaupt wollen das immer alle genau wissen.

Um den Flughafen herum überall diese Orangenbäume. Im Flughafen drin eine Ruhe. In all dieser Ruhe gesamtbiografische Durchsuchung. Ich mach einen Spaß nach dem anderen, trotz Aviator-Sonnebrille und dunklem Haar, vielleicht gerade deshalb. Tief in die Augen wird einem geschaut und gestoppt wie lange es dauert, bis man auf seinen phonetisch verhunzten Vornamen anspringt. Man sollte nie zulange mit etwas warten hier, bei aller scheinbaren Ruhe. Zwei Hosen und einen Magen hab ich mir hier ruiniert. Aber es geht ja immer weiter.

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Russischer Spam

Hier hat sich alles festgefroren, könnte man meinen. Weil selbst der Akismet-Spam kommt offensichtlich aus der Tundra. Immer eine beispielhafte deutsche Kältesteppe ist auch das Berlin. Aber das Berlin ist einem nicht feindlich gesinnt, das ist ein populäres Missverständnis. Angegriffen von der Kälte fühlt sich nur derjenige, der auch sonst gern in die Defensive geht. Zum Beispiel weil der Arbeitskollege mehr verdient. Oder weil das einjährige Kind nur langsame Fortschritte im Englischunterricht macht. Oder der Baby-Yoga-Kurs zuviel kostet. Aber ansonsten ist es halt einfach kalt. Eine Weile hat keiner reagiert, weil so ein Frost ist ja auch immer eine gute Ausrede fürs Nichtreagieren auf irgendwas. Aber langsam tut sich was, das merkt man. Jetzt wieder der Mayer mit seinem Pathosgetriefe vom nahenden Frühling. Nein, so weit wie bis zum Frühling geh ich jetzt nicht. Hannibal ad portas, so spät ham wir’s noch nicht. Ein paar eiserne Vorräte müssen wir schon noch aufbrauchen bis zum Auftauen. Aber passieren tut schon wieder ein bisschen mehr als noch in der ersten Januarwoche, das kann ja wohl keiner leugnen. Phoenix haben einen Grammy bekommen und der Bruder vom Australier an der Ecke hat Sundance gewonnen. Und die Russen mit der Spaminitiative nicht zu vergessen. Also doch nicht alles festgefroren.

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Verständnishorizont.

Heute, weil bemitleidenswert bettlägrig und erkältet, über Schwarze Löcher gelesen. Und über den Ereignishorizont. Es war mir nicht bewusst, wie viel Poesie in diesen Umständen steckt. Ein Stern, ein Riese, eine Existenz kracht vollkommen in sich zusammen. Das Resultat dieser Zerstörung ist viel zu groß, als dass das Universum mit seinen herkömmlichen Naturgesetzen den Verlust verkraften könnte und so entwickelt es ein eigenes Phänomen, eine galaktische Sickergrube, in der keine einzige der bekannten Regeln mehr gilt. Der Rand dieser Sickergrube nennt sich Ereignishorizont. Das Wort alleine, ich bitte dich. Wenn einer auf ein schwarzes Loch hinzufliegt, heisst es, dann merkt er, wie er sich nach hinlänglich bekannter Physik dem Ereignishorizont nähert. Irgendwann zumindest. Wenn ich aber jetzt eben dieser Person beim Hineinfliegen zuschaue, kommt er in meinen Augen nie am Ereignishorizont an, weil sich in meiner Perspektive grundverschiedene metrische Abhängigkeiten vermischen. Heute, weil ziemlich erkältet und im Bett, über Schwarze Löcher gelesen. Und über den Ereignishorizont. Und über den Zukunftslichtkegel. Wenig verstanden wie bei einem Keats-Gedicht, aber von der Poesie her genauso tadellos.

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Kurzkritik zu Anvil

Headbanger und Headbangerinnen, schaut euch diesen Film an oder sterbt den bedauernswerten Tod wertloser Ungläubiger. Wirklich, das ist einer der besten Filme, die ihr je über Musik gesehen habt und sehen werdet. Der drückt alle Knöpfe, nicht nur bei Musikern. Ich konnte mich 90 Minuten nicht entscheiden, ob ich traurig oder bespaßt sein soll. Bitte tut dieser Band, die in ihrem Musikerdasein wirklich nichts aber auch gar nichts richtig gemacht hat (wenn man von den Gitarrensoli mit Vibrator mal absieht), den Gefallen und schaut diesen Film. Ich selbst konnte mich sogar noch an Anvil aus meiner Metal-Hammer-Jugend heraus erinnern. Schon damals war die einhellige Meinung der Journalisten: gute Band, aber miese Produktion, mieses Label und die miesesten Plattencover der Ära.

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Kriminalgericht

Und dann war ich in Moabit, am Kriminalgericht. Endlich verspricht ein Gebäude mal nichts, was es nicht auch halten kann. Architektur der ewigen Schuld. Erdrückung durch Wilhelminismus ist das Urteil, das schon mal grundsätzlich an alle ergeht, die hineingehen. Die, die ihr eintreten wollt, lasset alle Hoffnung auf genug Tageslicht fahren. Das erste elektrisch beleuchtete Gebäude in ganz Berlin, sagt Wikipedia. Mir hat sie auf Anhieb gefallen, die andauernde Anwesenheit von Drakonie, der unsubtile Anklang von höherer Strafgewalt. Falls jemand fragt, ich selbst stand nicht zur Anklage und Zeitzeugen für Volksverdummung wurden an jenem schneeverhangenen Dienstag im Januar auch nicht aufgerufen. Die eigene Schwester inmitten eines juristischen Referendariats mit der ersten Verhandlung war der Grund für meinen Auftritt vor Gericht. Der Fall selbst, ein dichter Milieuplot mit überraschenden Twists. Eine sich selbst zerstückelnde Zeugin, ein ganz wiefer, harter Burschido und ein Staatsanwalt, der fast vergaß, dass man sich als Zeuge nicht selbst belasten muß. Macht ja nix, weil stehen ja nur Biografien auf dem Spiel so einer halbstündigen Verhandlung. Quasi Fertiggericht, weil’s schnell gehen muss. Und dennoch ist es Burschido und der Zeugin mit den Neonazipostern grade recht geschehen. Und schon auch traurig die meisten Listen mit den Namen der Vehandlungssache und der Uhrzeit. 10:20 ausländischer Name, 11:15 türkischer Name, 11:50 türkischer Name. Man fühlt sich ja schon schuldig, das überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, aber Melancholie, schlechtes Gewissen und Naivitäten sind hier unter Angestellten schwer verpönt, sagt man mir. Anderthalb Stunden später wieder im freien Tageslicht, lastet das Kriminalgericht noch ein wenig auf dem bis dato arglos bürgerlichen Gemüt. Der Cappuccino im Kaffee gegenüber kostet 2,80 und ist viel zu groß. Altmoabit ist am Leben. Das Kriminalgericht und die JVA sind gar nicht wirklich da, wenn man nicht hineingeht.

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Liebes Kriegstagebuch

Bevor ich jetzt noch den zweiten Teil vom Paten anschaue oder/und noch einen tiefen Schluck Wodka On The Rocks einnehme, muss ich schnell erzählen, dass ich mich jedes Jahr gescheit erschrecke, wenn diese Raketen losfliegen. Ich mein, ich war ja nie im Krieg, und livetwitternder Zeuge einer Bombenexplosion war ich auch noch nicht, also ein Trauma ist nahezu auszuschließen, und doch hab ich jedes Jahr das Gefühl, dass da jemand auf mich schießt. Grad hat so ein Depp mir unten auf der Straße einen Kracher direkt vor die Füße geschmissen und die Explosionsbruchstücke sind mir ins Gesicht gedönst. Splittergranate, sag ich nur. Ist ja schön, wenn die Menschen ein bisschen einen Enthusiasmus bekunden von wegen neues Jahr und Jahrzehnt, aber ich wette, spätestens ab Montag lässt man sich in altbewährter Tradition ganz unenthusiasmiert wieder gegenseitig über die Klingen springen. Aber ich will das neue Jahrzehnt nicht mies machen, bevor es überhaupt richtig angefangen hat. Das war jetzt schon die erste Lüge im neuen Jahrzehnt. Aber Schwamm drüber. Weil eigentlich wollt ich euch ja nur meinen Neujahrsvorsatz offenlegen. Ich hab mir nämlich vorgenommen, dass ich im neuen Jahr nicht mehr so oft die heiße Badewanne einlass. Hab ich meiner Frau auch versprochen, weil sonst die Heizkosten, totale Explosion. Nebenkostensplittergranate quasi.

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2009 – Das Remake

Und wieder ein Jahr dem Weltuntergang und der totalen globalen Verdummung nähergerückt. Hier sind ein paar Dinge, die mich davon abgehalten haben, Passanten auf der Straße ins Gesicht zu sagen, dass sie schuld an allem Unheil dieser Welt sind.

Beste Platte
Es war das Royal-Bangs-Jahr, keine Frage. Das Debut „We Breed Champions“ stammt zwar schon aus dem Vorjahr, wurde aber im Frühjahr 2009 über City Slang erstmals bei uns veröffentlicht. Nachdem ich vorvorletzte Woche auch noch ein extrem starkes Konzert von den Nashvillern sehen durfte, war alles klar: 2009 gehört den königlichen Ponyfrisuren, bei Einheimischen auch unter Prinz-Eisenherz-Cut geführt. Der Mensch von Bon Iver setzt auf der „Blood Bank EP“ die süßliche Finsternis von „For Emma, forever ago“ fort und auch Slayer und Rancid erfinden nicht das Rad neu, aber zur Zeit kann man ja froh sein, wenn nicht alle gleichförmig auf Diskorhythmen (nein, ich sag nicht Beats) herumplärren. Immerhin hat Dave Lombardo 2009 ein ganz starkes Jahr hinter der Schießbude (nein, ich sag nicht Drums, obwohl Schießbude noch viel alberner und Scorpions-mäßiger ist. Ich weiß schon, was ich tue.) hatte. Die Klasse von Chris Wollards Album liegt eigentlich auch nur in vier Songs, aber wie unaufgeregt der Hot Water Music-Gitarrist Folkrock betreibt, schlägt mittlerweile den etwas ins Gefiedel abgetriebenen Bandkollegen Chuck Ragan. Tegan und Sara sind endlich alt genug für gutes Songwriting, Metric haben eine Mitsingkanone hingestellt und die „Let It Be“ hab ich solange unterschätzt bis ich bei Beatles Rockband mal zu „Dig A Pony“ und „I Got A Feeling“ Schlagzeug gespielt hab und 80 Jahre zu spät bemerkt habe, was für großartige Songs das sind. Das Mos-Def-Album steht stellvertretend für den ganzen Hip Hop alter Schule, denn ich in diesem Jahr gehört habe.

1. Royal Bangs – Let It Bleep
2. Royal Bangs – We Breed Champions
3. Bon Iver – Blood Bank EP
4. Slayer – World Painted Blood
5. The Beatles – Let It Be (2009 Stereo Remaster)
6. Chris Wollard And The Boat Thieves – dto
7. Tegan & Sara – Sainthood
8. Metric – Fantasies
9. Rancid – Let The Dominoes Fall
10. Mos Def – The Ecstatic

Bester Song:
1. Royal Bangs – Cat Swallow
2. Bon Iver – Bloodbank
3. Vampire Weekend – Ottoman
4. Chris Wollard – No Exception
5. Metric – Help I’m Alive
6. Tegan And Sarah – The Cure
7. Katy Perry – Waking Up In Vegas
8. Royal Bangs- Japanese Cars
9. The Jealous Sound – Got Friends
10. Rancid – Let The Dominoes Fall

Bester Film
Kathrin Bigelows „Hurt Locker“ ist eigentlich so ein Konsensfilm für verbiesterte Filmkritiker gewesen, aber man kann ihn nicht weglassen, weil er trotz staubtrockenem Protokollieren des Kriegsalltags sauspannend war. Der Konsensfilm für die Geeks war dann „District 9“, aber auch das war eine peppige (hammer Vokabel, oder?) und durchaus innovative Angelegenheit. „Frost/Nixon“ dann eine unglaubliche rasante Komposition aus Dialog und Gesellschaftspotrait, an manchen Ecken ein bisschen zu glatt gebügelt, aber trotzdem ein Glanzstück von Frank Langella und Michael Sheen in den Hauptrollen. Unfassbar, dass der intellektuelle eher leisetretende Ron Howard Regie geführt hat. Gelacht hab ich am meisten bei „The Hangover“, weil für Schnapscomedy bin ich mir nie zu schade. „Duplicity“ und „Watchmen“ möchte ich noch explizit für die besten Vorspänne des Jahres erwähnen. Die Haas-Verfilmung „Der Knochenmann“ enttäuschte mich ein bisschen, aber Josef Hader als mein Namensvetter Brenner tröstet über so manche kleine Skript-Unzulänglichkeit hinweg. Und ja, „Avatar“ sollte man gesehen haben, außer man interessiert sich weder für Sci-Fi, noch Fantasy, noch digitale Effekte in Spielfilmen. Weil das ist schon das visuelle Maß aller Dinge im Moment. Bester Film, weil zugleich Blutsgaudi, Anspruch und Hochspannung: die Basterds. Aber hallo und mit Abstand.

1. Inglorious Basterds
2. Watchmen
3. Frost/Nixon
4. The Hurt Locker
5. The Hangover
6. Avatar 3D
7. District 9
8. Duplicity
9. Star Trek
10. Der Knochemann

Bestes Spiel
Wer’s noch nicht wusste: Ich bin ein penetranter Konsolenspieler, der auch gerne mal tagsüber ausfällt, weil er bis 8 Uhr früh in irgendwelchen frei begehbaren Städten auch noch die letzte Nebenmission spielen musste. 2009 war das bisher beste Jahr für Konsolenspiele und am meisten freut mich, dass man a) mit „Infamous“ ein Superheldenspiel etabliert hat, das keiner hinlänglich bekannten Vorlage folgt und ich mir b) endlich einen Kindheitstraum erfüllen konnte und mit einer realistischen Batman-Figur in dunkler Nacht und in einsamen Wahnsinn auf Joker-Jagd gehen durfte. Die meiste Zeit insgesamt an einem Spiel hab ich bei „Rockband 2“ verbracht und kann mittlerweile besser Schlagzeug spielen als früher, wo ich noch ein Echtes besaß und nicht so ein Plastikglump. Der Preis für die schönsten Landschaftsaufnahmen geht unein-fucking-holbar an „Assassin’s Creed 2“.

1. Infamous
2. Batman: Arkham Asylum
2. Assassin’s Creed 2
3. GTA IV: The Lost And The Damned
4. FIFA 2010
5. Fallout 3
6. GTA IV: The Ballad Of Gay Tony
7. Brütal Legend
8. Rockband 2
9. The Beatles Rockband
10. Machinarium

Beste Serie:
Ich bin ja bekennender The-Wire-Jünger und deshalb nicht überrascht, dass deren Macher mit ihrer Miniserie über den Golfkrieg „Generation Kill“ erneut den Dokudrama-Vogel abgeschossen haben. Mit Sgt. Brad „Iceman“ Colbert im Humvee sitzen und das ganze Elend der ersten Einsätze im jüngsten Irakkrieg miterleiden: ein unglaublicher Anti-Kriegs-Roadtrip. Der Rest von den Serien ist Eulen nach Athen. In „True Blood“ habe ich übrigens endlich meinen würdigen Buffy-Ersatz gefunden. Voraussetzung für die Wertung war übrigens, dass die Serien auch 2009 noch ausgestrahlt wurden oder erstmals auf DVD erschienen.

1. Generation Kill
2. Lost: Season 5
3. Entourage: Season 5
4. Dexter: Season 3
5. True Blood: Season 1 & 2
6. Mad Men: Season 2
7. In Treatment: Season 1
8. 30 Rock: Season 2
9. Battlestar Galactica: Season 4
10. Kavka vs. The Web: Season 1 & 2

Bestes Buch
Da zählt jetzt nicht das Erscheinungsjahr 2009, weil dann käm ich auf keine zwei Bücher. Somit zählt das, was ich in diesem Jahr gelesen habe. Und übrigens: Palahniuks „Haunted“ ist das ekligste Buch, das ich je gelesen habe. Wobei Kershaws Standardwerk über Hitler auf ca. 18.000 Seiten natürlich durchaus konkurrenzfähig ist, weil leider Gottes keine Fiktion. Und jeder, der sagt, der Haas würde Sellout wegen des Brenner-Revivals betreiben und der Roman wär deshalb nicht mehr so gut, der lügt wie gedruckt.

1. Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott
2. Ian Kershaw: Hitler 1889 – 1945
3. Dan Simmons: Hyperion Omnibus
4. Complete Poetry Of John Keats
5. Dan Simmons: The Song Of Khali
6. David Ray Griffin: The New Pearl Harbor
7. Wolf Haas: Das Wetter vor 15 Jahren
8. Schneider/Penner: Horror Cinema
9. Ennis/Robertson: The Boys (Comic)
10. Chuck Palahniuk: Haunted

Alternative Meinungen, Listen oder gehässigen Widerspruch gerne in die Kommentare. Ich könnte ja was vergessen haben und bessere dann auch im Zweifelsfall nach. „Let The Right One In“ hat’s übrigens nur knapp nicht in die Filme Toplist geschafft, falls jemand fragen sollte.

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Kurzkritik zu Avatar 3D

Jürgen Trittins Meisterwerk in 3D ohne Flaschenpfand. Überraschend miese Handlung, aber überraschend guter Film. Und mittlerweile ganz schick diese 3D-Brillen. Könnte man auch privat tragen.

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Die ganze verdammte Show

Vielleicht hat es sich ja schon rumgesprochen, dass ich ein ausgesprochener Wrestling-Nerd bin. Ich rechtfertige das jetzt auch gar nicht, denn ich weide mich ja auch wie ein Schwertransporterunfallgaffer jeden Donnerstag an den faschistoiden Platitüden der Popstars-Jury. Ich bin kulturell quasi eh nicht mehr zu retten. Was ich aber berichten möchte ist, dass ich am Freitag einfach mal so von Berlin nach Regensburg gefahren bin, um mir eine Wrestling-Veranstaltung in der Donauarena anzusehen. Ich wollte so ein bisschen The-Wrestler-Ambiente, also nicht das teure und überzogene Produkt der WWE (World Wrestling Entertainment). Aber genug von Fachsprache.

Die Arena sieht so aus, als würden 5000 Leute reingehen, immerhin weiß ich aus meiner Studentenzeit, dass nach der Eröffnung mal Bryan Adams da gespielt hat. Selbstverständlich war ich nie in der Halle, weil man ja nicht gerne zu Andre Rieu oder Lord Of The Dance geht. Auch nicht zu Bryan Adams. Kamen mit dem Taxi aus dem Etap-Hotel, also frisch aus der Plastiknasskammer, kann man sagen. Statt 5000 Leuten sind nur knapp 300 da. Und von denen werden die unter 16-Jährigen einfach nach Hause geschickt, weil der Stadtrat am Vorabend beschlossen hat: Showcatchen ist nichts für Kinder, auch nicht mit Erziehungsberechtigung in Anwesenheit, weil Catchen und Gewalt und so, kann man sich ja denken. Also letztlich ein recht trauriges Bild: 300 Leute in der 5000er-Arena. Auf dem Weg zum Sitzplatz am Ring sitzt da Bret Hart an einer Bierbank und gibt Autogramme. Bret Hart, der Hitman, The Excellence Of Execution, Idol meiner Kindheit und ein paar zerquetschter Pubertätsjahre. Sitzt da und lässt die Autogrammstunde über sich ergehen. Sieht wahnsinnig müde aus, der Mensch. Und man glaubt ja immer, dass man bei Menschen nach einem Schlaganfall genau sehen kann, dass der Mensch einen Schlaganfall hatte. Weil komische Bewegungen und so. Bildet man sich vielleicht aber auch nur ein. Wir diskutieren eine halbe Ewigkeit, ob man sich in der Autogrammschlange einreiht, dann tun wir es und ein Baseballcap vor uns ist direkt Schluss mit Autogrammstunde, sagt die vollgasverlebte Tourmanagerin.

rvd

Ein paar Jägermeister später sitzen wir am Ring und alles leer, man hätte sich auch in die erste Reihe sitzen können, aber nicht dass man noch Blut ans Hemd bekommt, falls die Kollegen sich einen Bladejob gönnen. Schon wieder Fachjargon, aber heisst so, wenn sich die Wrestler mit einer versteckten Rasierklinge ins eigene Fleisch schneiden. Geht also los mit ein paar Spaßkämpfen mit eher weniger bekannten, aber auch unabgehalfterten Gesellen. Dann ein Frauenkampf mit einer Deutschen namens Alpha-Female oder so ähnlich. Prolletierte Tribal-Uschi mit Bierbauch gewinnt. Braucht kein Mensch, auch nicht mit drei Jägermeister und zwei Weißwein in der Hirse. Irgendwann dann Bret Hart mit Ansprache an die deutschen Fans, seine Lieblingsfans angeblich. Schon wieder die vermeintlichen Schlaganfall-Bewegungen beim Einstieg in den Ring. Dann eine Minute Ansprache, hallo, langer Flug, bin so müde und muss jetzt wieder gehen. Irgendwann dann auch noch Midget-Wrestling. Halbwüchsige hat mir David Lynch echt mies gemacht. Habe dauernd das Gefühl, beobachtet zu werden. In der Pause wird ja dann Bier geholt, um die Tristesse der Veranstaltung zu kompensieren. Wir stellen uns vor, wir sind beim Bierzelt-Catchen. Und plötzlich ist der Spaß da. Im sogenannten Main Event dann tatsächlich mit Rob Van Dam ein echter Star des Gewerbes, der sich überraschend viel Mühe gibt, gemessen an der Tatsache, dass der gerade vor weniger Publikum spielt als The Ram. Hardcore Match. Stühle. Tische. Schön.

Jetzt ist Zeit für die Altstadt. Alles Christkindlmarkt und Deko. Kein Ausweg aus der Vorweihnacht. Keine Ahnung wo man heutzutage in Regensburg hingeht, deshalb wie all die langen Jahre zuvor in die Nummer Sieben. Brechende Völle da und überhaupt die Weiber auf hundertachtzig so flirtmäßig. Der Christian arbeitet da immer noch, das beruhigt mich enorm. War mal mit einer Ex-Freundin von mir zusammen. Das hat uns immer so ein bisschen verbunden insgeheim. Bild ich mir wahrscheinlich nur ein. Der mitangereiste Kollege beordert mich mit strenger Hand um zwei Uhr nach Hause und gottseidank, weil ich grade mit Wodka und Bombay Sapphire schon wieder dabei bin, meine leichte Erkältung in einen schweren Rausch umzuleiten. Dann der rassistische Taxifahrer zum Etap-Hotel an der Autobahn. Zwei Ibuprofen und Wasser vor der Heia, weil Kopf am nächsten und halb 8 klingelt der Wecker, zurück nach Berlin und das restliche Wochenende tot.

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Wind Wetter Sex Gewalt

Das kann ja nicht gutgehen, wenn es so lauwarm draussen ist im November. Das muss ja den Einen oder Anderen auf dumme Gedanken bringen. Diese fönartigen Luftstöße aus dem viel zu blauen Berliner Himmel in die viel zu warme Stadt hinunter, das wühlt die Leute so auf, das glaubt man nicht. Es fing ja im Prinzip schon gestern Nacht an.

Vor mir ging so ein Mann und ein anderer kam ihm entgegen. Der Entgegenkommende sah den vor mir Gehenden mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen an. Neugieriger Hund wie ich bin, habe ich überholt, um zu sehen, was es denn da so Entsetzliches zu sehen gab. Und ich hab mich wirklich sehr gewundert. Der Mann, der dem Entgegenkommenden entgegen kam, sah genauso aus wie sein Gegenüber. Kein Wunder, dass sich der Entgegenkommende zu Tode erschrocken hat. Da hab ich schon gewusst, dass etwas nicht stimmen kann.

Heute morgen dann in der Friedrichstraße eine Polizeikolonne ohne erkennbaren Grund. Danach das Wetter in Neukölln ein einziger lauwarmer Stoß aus Regen und Wind. Dann hab ich in der U-Bahn nach all den langen Jahren herausgefunden wie man gut ankommt bei den Frauen. Also denen in der U-Bahn zumindest. Weißes Hemd, schöner Mantel, graue Strähnen und das Wichtigste: Das Wetter vor 15 Jahren von Haas in der Taschenbuchausgabe lesen und dabei schauen, als könnte man kein Wässerchen trüben. Irrsinnsresonanz, glaubt man nicht. Aber erstens bin ich ja so zehnermäßig verheiratet, dass mir das auch nichts gebracht hat, ausserdem lags wohl nicht an mir, sondern an den Windstößen und der übernatürlichen Temperatur in der Stadt. Und natürlich an der Polizei.

Weiß doch jeder, dass man sexuell ganz anders stimuliert wird, wenn Gewalt in der Luft liegt. Zur Polizei komme ich gleich noch. Erst einmal hat die U-Bahn ganz lange angehalten und der Fahrer hat per Durchsage gefragt, ob ein Arzt in der U-Bahn ist, man benötige ganz dringend einen Arzt. Nach fünf Minuten ist die U-Bahn dann in die Haltestelle Rosenthalerplatz eingefahren und unten haben alle gedrängelt, um nach oben zu kommen. Oben warteten Hundertschaften von Polizisten und eine kaum zählbare Anzahl an Einsatzwägen. Das besetzte Haus in der Brunnenstraße. Das wirds sein. Hab ich mal zwei Wochen daneben gewohnt. Laut, die Leute da drin, meine Herren. Aber von mir aus können die da gerne wohnen, solange sie nicht so laut sind. Die vielen wartenden Polizisten scheinen mir aber auch ein wenig wirr von dem Wind zu sein. Viele schauen besorgt in den Himmel. Dort dröhnen und lauern die Polizeihubschrauber. Keiner weiß genau, was hier vor sich geht, die Polizei scheins auch nicht. Als würde gleich etwas in die Luft fliegen, so kommt einem das vor.

Gestern nacht stand ich an der Fußgängerampel und habe Musik aus Kopfhörern gehört. Draußen war der Verkehr einigermaßen laut und der Wind tobte um die Häuser. Die Ampel war rot. Ich hab die Augen zugemacht und trotz der Musik und des Winds gehört, wie die Leute auf der gegenüberliegenden Straßenseite losgegangen sind. Es war grün als ich die Augen wieder aufgemacht habe. Ich hab das alles so präzise wahrgenommen, dass ich mich gegruselt habe. Auch das hatte wohl was mit dem Wind zu tun, der die Geräusche so herüber geweht haben muss von der anderen Straßenseite. Auf jeden Fall wusste ich da schon, dass da etwas nicht stimmen kann. Jetzt sitz ich in der Wohnung und überall das Gebrüll von Sirenen und Helikoptern. Macht mich ganz scharf irgendwie.

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