Der Rückzug

Allerheiligen bei St. Burnster

Dass ich eine Gruselgeschichte aufschreibe, ist ja nun wirklich nichts Besonderes. Dem Schrecken hab ich schon diverse Male die Stirn geboten, aber meistens umgekehrt und wenn es in die zwischenmenschliche Tiefe ging, lauerte das Grauen oft marianengrabentief und ich hab es dennoch auf diese Seite hochgelotst. Deshalb nicht erschrecken, wenn die folgende Gruselgeschichte nicht ganz so splatter ist wie das, was ich an einem normalen Wochentag auspacke.

E

s war ein empfindlich kühler Augustabend. Drinnen in den Wohnungen war es warm, fast noch heiß. Hier hatte sich die Hitze der zurückliegenden drei Monate gestaut und gehalten, während es draussen bereits wieder kalt geworden war. Wir hatten alle einen schwelenden Sommer hinter uns, in dem das Atmen schwer gefallen war. Jetzt regnete es und der Regen war nicht mehr erfrischend, sondern bereits stechend kühl. Ich hatte meine Wohnung gekündigt und trieb mich noch ein paar Tage in der alten Stadt herum, bevor ich umziehen sollte, ins inländische Ausland, in einen Moloch ohne Herz und Verstand. Zudem hatte ich Geburtstag und traf mich mit Freunden und Arbeitskollegen in einer Kneipe. Die Stimmung war recht ausgelassen, was man als Gastgeber ja immer auch als Bestätigung für die eigenen Feierqualitäten verbucht, und gegen 1 Uhr wanderten wir alle in eine nahegelegene Indie-Disko ab. Im strömenden Regen suchten wir uns ein paar Taxis zusammen und rauschten dem Regen entgegen durch die Nacht der alten Stadt. Ich fühlte mich unglaublich losgelöst von aller Verantwortung und zusammen mit der Zuneigung meiner Gäste und Freunde ergab das eine innere Zufriedenheit, wie ich sie so nur selten erlebt hatte. Es war ein Glücksfall, dass ich diese Stadt verlassen konnte, so gern ich sie auch mitunter hatte. Es war ein Glücksfall, dass ich einen Neustart woanders wagen konnte. Und es war ein Glücksfall, dass ich hier mit meinen Freunden im Taxi saß, trank und rauchte, auf dem Weg in die Indiedisko, die ich all die Jahre jedes Wochenende zweimal besucht hatte.

In dem Club zerstreute sich unsere Gruppe schnell. Es bildeten sich Grüppchen und tatsächlich auch zwei Pärchen, die es vorher in solcher Konstellation nicht gegeben hatte. Ich selbst lehnte selbstzufrieden an der Bar und unterhielt mich mit einer Arbeitskollegin. Ich kannte sie eigentlich nicht gut, mochte sie aber ganz gerne. Sie war wohl so dazugerutscht zu uns, weil ihre Abteilungskollegen alle zu meiner Party gekommen waren und sie mitgebracht hatten. Sie hieß Julia und ich kannte sie als verschlossen und ihre Unsicherheit mit Sarkasmus überspielend. Aber sympathisch zurückhaltend, wenn man die anderen hysterischen Hühner aus meiner Branche bedachte. Ich plauderte also ganz locker mit Julia über Musik in Clubs und weitere Allgemeinplätze für Indie-Nerds, als sie plötzlich fragte: „Kann ich dich küssen?“. „Klar.“, beantwortete ich ihre Frage. Und wir küssten uns und stahlen uns davon in den strömenden Regen, in meine bereits ausgeräumte Wohnung und fickten ganz vorsichtig, als würden wir uns nicht weh tun wollen. Es war so, als würden wir uns siezen. Danke, dass Sie mit mir geschlafen haben, war ich versucht zu sagen. Danach schliefen wir beide ein. Zirka zwei Stunden später wachte ich auf und der Mond schien ins Zimmer, so pathetisch das auch klingen mag. Julia lag bewegungslos neben mir, immer noch nackt, während ich mir längst eine Unterhose angezogen hatte. Sie atmete schwer und ihre Augen waren weit geöffnet. Sie starrte an die Decke.

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„Er ist wieder da.“, sagte sie, fast ohne die Lippen zu bewegen, was ich schauderhaft fand. Dann fing sie an zu weinen und drückte ihren Kopf auf meine Brust. „Er ist wieder hier. Er kommt immer, wenn ich jemanden kennenlerne.“
„Wen meinst du?“, fragte ich sie.
„Meinen toten Freund.“, entgegnete sie und sie klatschte laut in die Hände, als würde sie eine Mücke dazwischen zerquetschen wollen. „Tschuldigung,“, flüsterte sie, „das ist klingt total absurd und verrückt. Ich will dich nicht erschrecken. Er ist halt gestorben, als wir noch zusammen waren. Kommt halt manchmal zurück.“
Ich war nicht wirklich mitgenommen, irgendwie hatte der Abend sowieso einen Hauch von Ewigkeit an sich und diese Anekdote verlieh ihm noch mehr Würde. Julia weinte noch ein wenig leise in mein Kissen und schlief dann langsam und unauffällig ein. Ich lag noch wach und ich musste ihr Recht geben, da war etwas in dem Raum, was da nicht hingehörte. Und es war kalt. So kalt wie draußen. Denn obwohl meine Wohnung bis auf die Matratze leergeräumt war, lauerte da noch die Hitze des abtretenden Sommers in den Wänden. Sogar nachts. Nur jetzt nicht. Ich hätte schwören können, dass ich meinen eigen Atem sah. Eine halbe Stunde später war auch ich eingeschlafen.

Am nächsten Morgen brachte ich Julia zur U-Bahn und dann sah ich sie etliche Wochen nicht mehr, weil ich ja die Stadt verließ. Als ich Ende Oktober wieder zurück war, um ein paar Freunde zu besuchen, gingen wir in den Indie-Club, den wir auch an meinem Geburtstag besucht hatten. In der neuen Stadt hatte ich mittlerweile ein Mädchen kennengelernt und vielleicht stellte ich mich deshalb ein wenig unbeholfen an, als mir Julia begegnete und wir schweigend nebeneinander standen, weil ich nicht genau wusste, wie ich mit der Sache umgehen sollte. Nach einer Weile nahm sie meine Hand und hielt sie fest. Ein wenig zu fest für meinen Geschmack.
„Hör mal, Julia, ich will das eigentlich nicht so verbindlich sehen, auch wenn ich dich gerne mag.“
„Du blödes Arschloch. Du wirst dich noch wundern.“, lautete ihre Antwort. Sie riss sich los und lief nach draussen. Ich habe sie nie wieder gesehen, aber ich hatte noch ein paar Wochen das Gefühl, ihr toter Freund besuche mich noch in der ein oder anderen Nacht und haucht mir drohend kalt ins Gesicht. Ich bin nur noch ganz selten in der alten Stadt.

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Die schäumenden Ufer des Styx

Auf einem fetten Greise rittlings reitet
Ein nacktes Weib mit schwarzem Flatterhaar.
Und ihren Schoß und ihre Brüste breitet
Sie lüstern aus vor der Verdammten Schar.

(Georg Heym -Styx)

I

ch habe neulich eine Liebe zu Birnenkuchen entwickelt und von einem paradiesischen Ort geträumt. Es waren die schäumenden Ufer des Styx, in ihrem Wohlklang wie einem Heym-Gedicht entnommen und sie lagen irgendwo in Südengland. Das Flußbett war sandig, das Wasser ganz seicht und transparent und schäumende Kleinstwellen schmiegten sich an das flache Ufer, das in gut gemähten Grasstreifen nur leicht ansteigend nach oben führte, wo sich ein ebenso gut gemähtes und gepflegtes Fußballfeld, ein Bolzplatz, befand. Wir zogen unsere Schuhe aus und wateten durch das lauwarme Wasser. Es war himmlisch unten am Styx. Am nächsten Tag entdeckte ich meine Liebe zu Birnenkuchen.

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Das Biest schläft


I feel it in my bones when the storm is close
Then await for the rain and the wind to blow
As dark colors fill the sky I’m drenched I’m feeling so alive
Eyes closed tight my ears open for the boat

(Chuck Ragan – The Boat)

Es ist schon seltsam, wieviel Energie ich aufbringen kann, um meine oder die Miseren der Anderen in bluttriefenden Bildern an die Wände zu malen. Aber will ich einfach sagen, wie gut es mir geht und das in ein paar angenehme Bilder packen, komme ich mir naiv und schwülstig vor und am Ende fehlen mir die Worte. Die Poesie ist ein Instrument des Bösen.

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Ich bin ein bisschen zu früh auf dem Zionskirchplatz und habe Zeit mich in die hinterste Bank der ausschließlich mit Kerzenlicht ausgeleuchteten Kirche zu setzen. Außer mir befinden sich nur sechs weitere Leute in der Kirche. Über mir in der Empore höre ich Schritte. Unvermutet fängt eine Querflöte an zu spielen. Die Melodie klingt leicht orientalisch und auf eine sanftmütige Weise traurig. Ich lege meine Hände übereinander, für Fremde mag es aussehen, als würde ich beten. Mit der Melodie kehrt eine rührende Stille in mir ein. Ich stelle mir vor, wie mein Handy klingelt und die Stille zerfetzt. Ich würde rangehen. Die wohlbekannte Stimme eines toten Mädchens würde etwas am anderen Ende der Leitung flüstern, das so grauenvoll klingt, das ich es nicht niederschreiben will. Dann würde ich die Zionskirche verlasssen und aus der Stadt für eine Weile weggehen. Aber es ist nur die Vorstellung von dem Furchtbaren. In Wahrheit bleibt die traurige Melodie in der kalten Abendluft, die über das offene Portal von draußen kommt, unter der Empore über mir hängen und tröstet mich, wo es nichts zu trösten gibt. Dass der namenlose Schrecken dem Schönen so nahe beiwohnt hat keinen Trost verdient. Das ist nur der Alltag. Ich würde gerne beschreiben wie gut es mir in diesem Moment geht, aber mir fehlen die Worte.

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Die Stadt, die aus dem Sumpf kam

Berlin ist eine Stadt,
verdammt dazu,
ewig zu werden,
niemals zu sein.

(Karl Scheffler, 1910)

Dass Berlin schon seit geraumer Zeit den Nimbus der Halbfertigen, der wunschlos Unglücklichen und des Underdogs unter den Molochs dieser Welt trägt, ist keine Neuigkeit. Berlin ist keine Schönheit, kein Traum von einer Stadt und es vermag das Chaos von Millionenstädten zumindest nicht mit prunkvollen Hinterlassenschaften einer glorreichen Vergangenheit aufzuwiegen. Berlin ist jung und verwegen, entgleist und geschändet, im ewigen Wiederaufbau begriffen, im ästhetischen Hintertreffen, glaubt man der Meinung der Vielheit. Die auf Sumpf gebaute Stadt ist immer bemüht die Balance auf dem wässrigen Untergrund zu wahren, Sicherheiten gibt es hier nicht viele, sprengt man ein Haus in die Luft, gehen ganze Häuserblocks mit unter. Und dennoch wahrt Berlin für mich eine Ruhe, die ich in noch keiner anderen Großstadt erfahren durfte. In seiner dreisten Breite und seiner launischen Länge gibt es mir stets genug Platz, mich zu entfalten, mich zu drehen und zu wenden. Und Platz bedeutet Freiheit. Mag mein Seelenwohl auch ein wenig der bayerischen Gemütlichkeit hinterher klagen, die Berliner Gemütlichkeit tröstet mich darüber hinweg. Denn Weitläufigkeit ist das neue Gemütlich. Ich mag diese Stadt und ich mochte sie von Tag eins an, denn wenn sie eines nicht tut, dann ist es beengen.
Dass die Schäbige und Vernachlässigte jetzt endlich wieder die unpolitische Aufmerksamkeit der reiselustigen Welt bekommt, sei ihr von Herzen gegönnt, auch wenn es bedeuten könnte, dass die Freiheiten und Weitläufigkeiten bald ein wenig abnehmen werden.

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In dem abgebildeten Reiseführer von 1936, in dem die Nazis mit keinem Wort erwähnt sind außer bei einer Ämterauflistung samt NSDAP-Zentralen, spiegelt sich derselbe Nimbus wieder, von dem oben die Rede ist. Zu einem Zeitpunkt, als noch kein Krieg durch die Straßen gewütet hatte. Kein flammender und kein kalter. Wie man Berlin sieht und wie es geworden ist, ist freilich auch die Summe der historischen Resultate, aber es scheint so etwas wie einen Grundcharakter zu geben. So decken sich Schefflers Zitat mit der Einleitung des Reiseführers, mit meiner Einschätzung und mit der gängigen Meinungen über Berlin. Vielleicht schaffte es die Stadt auch nie, ihrem eigenen eifrig tradierten Stereotyp zu entkommen. Und das, obwohl sie sich eine Menge traut.

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Gute Nacht, süßer Slasher-Bär

Ich muss noch eine kleine Gruselgeschichte nachtragen. Als ich vor wenigen Wochen bei meiner Schwester in Grafentraubach im Kinderzimmer meiner kleinen Nichte übernachtete, konnte ich nicht schlafen, weil ich den Blick dieses Bären nicht ertrug. Er starrte mich mit einer Diabolik aus dem Spielzeugregal heraus an, wie man sie sonst nur von Chuckie und anderem Mörderspielzeug kennt. Als ich den Bär in die Hand nahm, fing er plötzlich an, ganz klagend und vorwurfsvoll zu erzählen und zu singen, von wegen wie alt er sei und dass man ihn lieb haben soll. Es kann auch etwas ganz Anderes gewesen sein. Vielleicht hat er auch gedroht, uns alle im Schlaf abzustechen. Auf jeden Fall stellte ich das Ding einigermaßen verängstigt wieder ins Regal zurück, aber mit dem Gesicht gegen die Wand, damit mich dieser Knopfaugenblickterror nicht in den Schlaf verfolgen konnte. Ich war bereits kurz vorm Einschlafen, als die Augen des Bärs plötzlich anfingen zu blinken, sich der Kopf in meine Richtung drehte und wieder dieses Lied begann. Und ich hätte schwören können, dass ich das Ding ausgeschaltet hatte.

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Das Mysteriöse

Ich weiß, du magst das Mysteriöse mehr als das Ehrliche. Ich weiß, die Finsternis macht dich mehr an als das Licht. Ich weiß, du mutmaßt lieber als dass du vertraust. Ich weiß, du schläfst lieber statt wach zu bleiben. Ich weiß, du liebst die Stärke, weil du die Schwäche der Anderen schwach findest. Ich weiß, ich weiß, ich weiß. Und wenn ich jetzt sage, dass du all die Dunkelheit in mir erstickt hast, dass du meine Hornhaut abgeschält und mich verwundbar wie ein kleines Kind gemacht hast, ich auf beiden Augen wieder volle Sehkraft besitze und manche Dinge in ihrer bedrückenden Schönheit ebenso wie in ihrer ewigen Grauslichkeit sehen muss, dann enttäuscht dich das sicher maßlos. Das ist nicht das, was du eingekauft hast. Das hast du nicht bestellt, nicht abgeholt und noch nicht einmal gewollt. Aber das ist es, da bin ich und jetzt, wo wir uns nackt begegnet sind – denn auch deine Tarnung fiel ab und das vor allen Leuten – könnten wir eigentlich wieder ganz von vorne anfangen. Und ich schwör dir, da ist noch mehr Finsternis abzutöten. Auch wenn es momentan nicht danach aussieht, ich werde dich vernichten eines Tages und erst dann wirst du dir wünschen, du hättest mich nicht für so ehrlich gehalten.

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An einem dieser schwarzen Tage

Don’t tell me it’s the right time to pack it up
Don’t tell me it’s the right time for a bitter goodbye.

(The Draft – Impossible)

An einem dieser schwarzen Tage, wenn der Himmel bleischwer und vollgepumpt mit Regen über dem Berliner Morgen hängt, wenn du aufstehst und du noch blutest aus der Nacht davor, wenn das Kissen unter deinem Arm rot ist und du kaum die Kraft hast, die Augen zu öffnen. An einem dieser schwarzen Tage und den Stunden dazwischen wird dir bewusst, dass die Stadt voller Zorn und Gewalt ist und es ein fataler Irrglaube sein muss, sich aus der Stadt heraushalten zu können. An einem dieser schwarzen Tage siehst du ein Video von Snow Patrol, eine rasant gefilmte Kamerafahrt durch eine Stadt im Halbdunkel des verglühenden Nachmittags und du erinnerst dich an Barcelona. Wie es dich eingelullt hat und fast nicht mehr hergegeben hätte, hättest du an Berlin nicht längst deine Seele verschachert Die Vanity Fair ruft München wieder zur heimlichen Hauptstadt aus und du denkst darüber nach, wie es wäre, sich einfach in den Zug zu setzen und zu verschwinden. Sich einfach ins Seehaus im Englischen Garten auf die Bierbank am Wasser zu setzen und die Beine in den Weiher zu halten und zuzusehen, wie es weiter regnet. Und wie der scheidende Mehmet Scholl sagen zu können: „Mein Leben hat gerade erst angefangen.“

An einem dieser schwarzen Tage bin ich es leid, die Fäden in der Hand zu behalten. An einem dieser schwarzen Tage, wenn die Spree vor meinem Bürofenster schwarz und schlingend ans Ufer droht und die Telefone still stehen. An einem dieser Tage, nachdem in Norditalien die Feuerwerke über der Lagune abgebrannt sind und wir nur weiter auf den stinkenden Fluß starren, der sich weiter mit Regen füllt, an einem dieser Tage möchte ich zurück zu Neunzehn. Als wir noch aufbrachen, statt festzusitzen, als wir noch in See stachen, statt am Fluss zu darben. An einem dieser schwarzen Tage frage ich mich, ob Zeitreisende von dieser Periode überhaupt etwas mitbekommen, ob dieser Tag nichts als ein Funken in ihren Träumen, ihrem Schlaf hinüber in eine bessere Zeit ist. An einem dieser schwarzen Tage, wenn tausende von Kindern jetzt gleich auf die Spielplätze gehen und die feuchte Luft an ihren Schläfen klebt und sie das Gefühl schon kennen, aber noch nichts ahnen vom Ausmaß der Brutalität dieser Stadt.

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Patrona Bavariae

So, St. Softdrink verknistert sich erstmal für ein paar Tage nach Grafentraubach, Niederbayern und stellt sich seinen Hinterbliebenen als Auferstandener samt neuem Lebenskonzept vor. Schließlich haben mich die Eltern ja das letzte Mal vor meinem Ableben lebendig gesehen. Bin auch gespannt wie die Moosbüffel aus Ratisbona (Zwischenstop) auf lebende Tote und unheilige Berliner Exilanten reagieren. Vermutlich mit der für sie typischen saturierten Gleichgültigkeit, die sie mir auch schon prämortal entgegen gebracht haben. Auch wurscht, ich geh erstmal dahin, wo ich herkomm. Servus, bis nachad. Euer Burnstl.

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Das langsame Verlassen

You don’t move from that graceful pose
And I never want to close my eyes.
Every move that I make is phoney
And every word I say is lies

(The Unbelievable Truth – Settle Down)

Ich habe es schon oft gesehen und ich habe es selbst schon gespürt. Wie es ist, ganz langsam und schleichend verlassen zu werden. Ich habe es selbst oft grausam präzise praktiziert. Wenn sich der Körper anfängt zu sträuben, wenn einen die Nerven allzuschnell verlassen und man beim Einschlafen wünscht, der andere wäre gar nicht mehr da, obwohl man noch so sehr an dem Konstrukt hängt, das man sich im dreissigsten Anlauf erschraubt hat, damit dieses Mal gefälligst alles passt. Dann fängt man langsam an, den anderen liegen zu lassen, währen man selbst aufsteht.

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Tut man mir das an, bemerke ich es natürlich sogleich. Aber ich kann ja schlecht sagen: „Schluss mit langsam verlassen, denn ich geh jetzt von alleine. Ätsch, schneller gewesen.“ Das kann man ja nicht sagen, will man auch nicht, solange die Hoffnung bei einem Prozent verbleibt, dass man sich täuscht und der andere nur eine seltsame Phase durchlebt. Oder man ist es so wie ich leid, etwas zu sagen und lässt die Dinge nur noch mit sich geschehen. Tag für Tag entfernt sie sich dann ein bisschen mehr, verliert an Euphorie, an Kraft und an Schönheit. Tag für Tag zieht sie sich ein Stückchen mehr zurück. Sie hört nicht mehr genau zu, sie ist ständig mit ihrem Handy beschäftigt, sie hört auf mit dir zu schlafen und es nervt sie, dir beim Aufstehen zuzusehen.

Es ist ein grausamer und schleichender Verfall. Fast so, als würde man langsam und bewusst verwesen, während man in einem offenen Sarg vor den Augen der Kondulanten liegt. Ein unaufhaltsamer Verfall, denn hat sie sich einmal entschieden, kann niemand auf der Welt sie umstimmen. Sie wird noch eine Weile brauchen, bis sie sich ihr erneutes Scheitern eingesteht, aber dann wirst du irgendwann aus ihr verschwunden sein und sie entschläft dir eines Nachts und von da an ist dein Bett wieder leer. Ich habe es passieren sehen und es wird wieder passieren. Wer es einmal erlebt hat, sieht es immer wieder. Überall.

(Der Song zum Text von The Unbelievable Truth)

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Kurzkritik zu Death Proof

Jedes Mal wenn ein neuer Tarantino kommt, denk ich bei mir, nö, den guckste nicht, irgendwann is genug mit Tarantino-Filmen. Dann seh ich ihn aber meistens aus Neugier doch und bin wieder aufs Neue begeistert, dass es da jemand gibt der seinen Job als Filmemacher noch ernst zu nehmen scheint und jede Einstellung, jeden Schnitt und jede Dialogzeile ins bestmöglichste, liebevolle Licht rückt. Aber was heißt ernstnehmen? Eigentlich geht es Tarantino bei dieser Hälfte vom Grindhouse-Doublefeature vorwiegend um seinen eigenen Spaß. Nur geile Weiber am Set, die Lieblingsmusik auflegen, Nahaufnahmen von Schnaps, klasse Retro-Karren abfilmen, einen neuen Standard in Sachen Autoverfolgungsstunts setzen und ganz nebenbei zum x-ten Mal einem abgehalfterten Altstar (K. Russell) zu neuer Glorie verhelfen. So würde mir Filmemachen auch Spaß machen. Ich hab zwar keine Ahnung, wie man auf so eine kranke Storyline kommt, aber Hauptsache jemand ist draufgekommen. Apropos draufkommen. Auf den Geschmack bin ich bei Fräulein „Butterfly“ Vanessa Ferlito gekommen. Tolles Mädel, toller Film trotz und gerade wegen der Frauengespräche, sagt St. Softdrink.

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