Cowboys III

Im dritten Jahr seit Gründung der Four Horsemen waren wir nur noch zu dritt. Buffalo Pete, der waffenlose Skianorakträger hatte es nicht bis nach Berlin geschafft. Aber wo will man in Berlin schon auch auf einen Faschingsball gehen? Am Samstag rufen Doc Vulture und ich auf verschiedenen Faschingsbällen an, während wir unsere Cowboyoutfit schon griffbereit auf der Couch liegen haben. Immer wenn jemand rangeht, habe ich das Gefühl im Hintergrund befinden sich circa zehn Gäste, die traurig um einen viel zu großen Tisch herumsitzen. Frustriert gehen wir schlafen und lassen unsere Hoffnungen auf einen Faschingsball in Berlin schon fast gen ewige Jagdgründe fahren. Oh, past glory.

Am Rosenmontag sitze ich im Büro und die Uhr zeigt High Noon. Mein Telefon klingelt und Doc Vulture ist dran:

„Howdy Man in Black, der Kid und der Doc gehen jetzt in die Ständige Vertretung zum Kölschen Karneval und du kommst mit.“

„Spinnst du? Wie soll ich das machen? Ich bin hier im Büro, außerdem habe ich keinen Bock auf Kölner Narretei in Berlin“ maule ich.

„Das ist deine letzte Chance, Cowboy. Ich erwarte deinen Anruf in fünf Minuten“, macht der Doc seine Ansage und legt auf.

Ich überlege fieberhaft, was zu tun ist. Dann gehe ich kurzentschlossen aufs Klo, imitiere einen Brechhusten, lasse mir kaltes Wasser übers Gesicht laufen und sage zu meinem englischsprachigen Chef:

„I’m sick. I’m about to totally throw up. I have to go home.“
„Oh yeah sure, please go.“

Gesagt, getan. An der Kreuzung zur Oberbaumbrücke holen mich der Doc und der Kid im schwarzen Alfa ab und wir fahren an den Nordstrand wo ich in das schwarze Hemd, die schwarze Hose, die schwarze Weste und die schwarze Lederjacke schlüpfe und mir meine schwarze Krawatte umbinde. Jetzt noch den Colt eingesteckt und den Hut aufgesetzt und schon breitbeinern wir los in Richtung Spreeufer in die Ständige Vertretung, kurz StäV.

Es ist zwei Uhr nachmittags als wir dort ankommen. Nach vier(zehn) Runden Kölsch fangen wir langsam an, bei De Höhner mitzuwippen und nach weiteren vier, singen wir mit. Eine ältere, aber elegante Dame aus tausend und einer durchzechten Nacht photografiert uns und zwinkert mir verführerisch zu. Schon bald gesellen sich zwei junge Russinnen an den Tisch der älteren Lady und sie kommt zu mir und rät, ich solle mich doch lieber an die Glasnostjugend halten als an sie. Wie bitte?! Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und während ich mich in der Folge des Nachmittags mit der Tochter eines Moskauer Milchmagnaten austausche, bestreitet Doc Vulture mehrere erfolgreiche Wettbewerbe in Armdrücken mit rheinländischen Frohnaturen. Doc und Kid räumen gegen zehn Uhr abends rabenvoll das Feld, während ich bis zwei gar nicht mehr Eastwoodmässig „Viva Colonia“ gröhle und dabei meinen Hut verliere. In der Pizza nebenan hole ich mich mit der Milchmagnatentochter Zigaretten und stelle fest, dass mein Schwager dort arbeitet.

Später verabschiede ich mich herzlich von Nikita, oder wie sie auch immer heißen mochte und gehe nach Hause, denn am nächsten Tag wird eine ganz andere Lady mit ihrem Koffer vor der Tür stehen und bei mir einziehen. Das ahne ich jedoch noch nicht, als ich mir meinen Gute-Nacht-Döner schieße und ihn in der kalten Berliner Prärie in mich hineinstopfe. Die Luft um mich herum ist schwarz wie meine Kleidung.

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Cowboys II

Obwohl The Kid und ich – The Man In Black – nicht mehr in München wohnen, haben wir uns per Geschäftsreise einen Flieger organisiert und sind pünktlich zum Biedersteiner Studentenfasching zurück in die ehemalige Heimat geflogen. Als wir am Samstag Mittag zu Karstadt gehen, um uns mit neuen Hüten und Revolvern auszustatten, ist der Himmel gelb und die Temperatur zu mild für Februar. Ein Sandsturm in Marokko hat den Luftraum halb Europas mit winzigen Sandkörnern durchsetzt und erst im Lauf des Abends wird sich dieser Schleier wieder aus der Münchner Stadtgebiet verzogen haben.

Nach dem Einkauf holt uns Doc Vulture im Alfa Romeo ab und wir stehen uns drei Stunden lang die Beine in den Bauch, um Eintrittskarten für den Faschingsball zu kaufen. Am Abend stößt endlich Buffalo Pete zu uns, er trägt eine Skijacke, einen Sepplhut und erneut keine Knarre. Wir sind entrüstet. Wie im Vorjahr müssen wir die Colts abgeben und fühlen uns gravierend in unserer Männlichkeit beschnitten.

Knarren- und lustlos stehen wir in dem Kellergewölbe rum und können die ganzen Sheriff-Wannabees nicht tanzen lassen ohne unsere Puffen. Deshalb und auch so trinken wir Wodka Red Bull. Sabine aus dem Vorjahr ist nicht da. Dafür ein 18jähriges Playboybunny aus Augsburg, das aussieht wie Sophie Schütt in jungen Jahren. Dummerweise habe ich am Vorabend im Atomic eine ehemalige Moderatorin einer unsäglichen Chartshow des dubiosen Untermietersenders SUN TV kennengelernt. Ich weiß, dass dieses Mädchen heute im Keller in Kunstpark Ost arbeitet und lasse von dem Bunny ab, um die Cowboys zu überzeugen, in den Keller zu reiten. Buffalo Pete gibt Fersengeld, aber der Rest ist dabei.

Als wir als einzige maskiert und wild durch die Gegend ballernd im Keller einlaufen, ist das Mädchen von SUN TV ganz schön konsterniert. Zudem stellt sie fest, dass der volltrunkene Doc Vulture ihr ehemaliger Chef ist. Noch mehr verstört sie, dass ein lallender, selbsternannter Man In Black ihr fünfmal mitteilen muss, wie sympathisch er sie findet. Das hat allerdings bald ein Ende, weil der Man in Black nach draußen geht und sich erstmal auf den Parkplatz legt, um sich ein wenig auszuruhen. Nach einer halben Stunde Prärie-Schlaf, übergibt er sich dann ausgiebig auf irgendwelchen Schienen, wundert sich, woher die Schienen kommen und wohin sie gehen, wischt sich den Mund ab und holt sich im direkten Anschluss eine doppelte Currywurst, bevor er zurück in den Keller geht und seine Jungs zum Gehen auffordert, weil er zurück ins Studentheim zur jungen Sophie Schütt will. The Kid schlägt sich noch mit einem Britney-Spears-Klon herum und der Doc verliebt sich gerade in eine Britpopprinzessin, aber es gibt keine Gnade: Wir müssen zurück zum Biedersteiner.

Eine Taxikutsche bringt uns verhältnismäßig wohlbehalten dorthin und sofort begegnet mir wieder das Augsburger Bunny, das aber in der Zwischenzeit sein Handy und sein Portemonnaie verloren hat und sich nur ungern mit profanen Anliegen wie „Wie heißt du gleich nochmal?“ beschäftigt. Gottseidank treffen wir unseren alten Freund Robbie Müller, der sich die Hose aufknöpft und für die Leute ein bisschen Schwanzgitarre spielt. Wieder ein neues Wort gelernt. Das ist eine willkommene Gelegenheit, um sich nochmals ein paar Wodka Orange ins Hirn zu blasen, zu verlieren haben wir nach der Schwanzgitarre vom Müller eh nichts mehr.

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Cowboys

Wir sind zu viert. The Kid, Doc Vulture, Buffalo Pete und meine Wenigkeit, The Man in Black. Und wir sind auf dem Weg ins Biedersteiner Studentenwohnheim in München Schwabing-Nord. Vorher haben wir uns die Faschingsfolge von „Münchner Geschichten“ angeschaut, den „langen Weg nach Sacramento“. Einmal so cool und gleichzeitig so linkisch sein wie der junge Günther Maria Halmer.

Natürlich sind wir alle mit Knarren ausgestattet. Alle, bis auf Buffalo Pete, der einen Mann mit bloßen Händen kaltmachen kann, behauptet er. Auf dem Weg zum Faschingsball im Keller besagten Wohnheims machen wir Halt in einem Saloon. Wir setzen uns nebeneinander an die Theke und hämmern zur Begrüßung die rauchenden Colts auf den Tresen. Der Wirt gibt uns vier Bier und vier Whiskey aus. Wir reden über früher, als wir noch auf der Ranch lebten. Bevor man unsere Frauen erschossen hat oder sie mit irgendwelchen Gringos aus Indien (ich weiß, das ist ein Widerspruch in sich) davon sind. Dann stehen wir auf und gehen, werfen achtlos aber lässig das Trinkgeld auf den Tresen.

Auf dem Biedersteiner Studentenfasching hat man strenge Waffenkontrollen eingerichtet. Wir überlisten die Hilfssheriffe, indem wir die Revolver unter unseren Cowboyhüten verstecken. Dann sind wir drin. Ich begrüße jede Frau, indem ich meine Hutkrempe hinauf schiebe und ein gutturales „Lady“ in den Raum werfe. Das kommt gut an. Sobald unser finsterer Vierertrupp einen Priester erspäht, ziehen wir die Hüte und lassen uns segnen. Entdeckt einer von uns allerdings einen anderen Cowboy mit einem Sheriffstern an der Brust, umzingeln wir ihn, schießen auf seine Füße und schreien ihn an: „Jetzt musst du tanzen, Gringo.“ Und: „Du verlässt besser noch heute abend die Stadt.“ Indianer werden freilich direkt abgeknallt, außer die Squaws.

Nach zwei Stunden zerstreut sich unsere kleine Gruppe langsam und wir werden zu betrunken, um weiter wie Cowboys zu reden. Während sich Doc Vulture und Buffalo Pete in einer dunklen Ecke postiert haben und argwöhnisch das immer burlesker werdende Fußvolk begutachten, haben ich und The Kid uns längst unter jenes gemischt. Irgendwann sehe ich The Kid mit einem gemütlich-puschigen Playboyhasen im Nahkampf befindlich und setze mich enerviert an die Bar auf eine weitere Whiskey Cola. Plötzlich steht sie neben mir, in einem bis zum Existenzminimum knapp geschnittenen Leopardenkostüm und einer roten Pagenkopfperücke.

„Ah, da Burnster. Servus. Lang schon nicht mehr gsehn.“

„Da schau her, die Sabine. Wohnst du auch z’Minga?“

„Freilich, ich bin hier Grundschullehrerin.“

Aha, denke ich. Die Sabine. Damals in Regensburg ist sie ja nie so recht angesprungen auf meine Cowboymasche, aber heut entschuldigt mich der Fasching. Leider bin ich schon ziemlich betrunken und unser Gespräch verläuft eher einsilbig von meiner Seite aus und es ist nicht meinem Clint-Eastwood-Gimmick geschuldet. Irgendwann sind meine Cowboyfreunde gegangen und ich und Sabine liegen auf einer Bierbank und knutschen etwas unmotiviert durch die Gegend. Ich schaffe es gerade noch, sie über den Schwabing Trail mit nach Hause zu nehmen und ihr das Leopardenkleid auszuziehen, für alles weitere bin ich nicht mehr zuständig, weil mich der Schlaf der gerechten übermannt, zurückzuführen auf die glorreichen sieben Gin Tonics, die ich mir für eine Handvoll D-Mark gekauft habe.

Zwei Tage später kehren The Kid und The Man in Black auf den Studentenfasching zurück. Ausgerechnet Doc Vulture hat in der Zwischenzeit eine Zerrung am Außenband erlitten und Buffalo Pete sind die Dollars und das Dosenbier ausgegangen, das er sonst immer in den Satteltaschen hat. Doch Kid und ich sind weiterhin in Bestform. Am Eingang werden uns zwar die Revolver abgenommen, doch wir schmuggeln sie später durch das Kellerfenster wieder hinein. Vorher schießen wir aber noch auf vorbeifahrende Autos am mittleren Ring.

Während Kid sich mit einer Blondine mit schwarzer Perücke im Inderkostüm verlustiert, kann ich mich nicht zwischen Leoparden-Sabine und einer gewissen Annika entscheiden und laviere so lange hin und her, bis sich Sabine entscheidet und zwar für einen Typen in Leopardenweste. Da trifft es sich dennoch gut, dass der Kid in Antjes Schwester verliebt ist, denn so gehen wir um 7 Uhr morgens noch mit Antje und ihrer Schwester auf Spare Ribs ins Lamms und sitzen mit ein paar freundlichen Zuhältern und Nutten an einem Tisch. Es ist wie im Wilden Westen.

Die Ladies werden uns aber schnell zu nüchtern und auf den nächsten Tag konzentriert, dehalb machen wir uns aus dem Staub und reiten noch einsam die Isar bei der Reichenbachbrücke entlang, wo ich meiner unglücklichen Liebe eine Kurzmitteilung, äh, ein Telegramm verpasse, das ihr vermitteln soll, wie gern ich sie jetzt hier bei mir im Sattel hätte. Sie reagiert mit einem lakonischen:

„Danke fürs Aufwecken. Habe eh einen anstrengenden Tag vor mir.“

Dann setzen wir uns in ein Cafe in der Leopoldstraße und trinken ein paar Bier bis ein lädierter Doc Vulture in Cowyboyhut und Ledermantel zu uns stößt und wir zusammen ins Büro stapfen. Es ist der Faschingsdientag mittlerweile. Dort gehen wir direkt zum Programmchef ins Büro, strecken ihm die Revolver ins Gesicht und fordern mehr Johnny Cash im Tagesprogramm. Das findet er gar nicht so wahnsinnig komisch.

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Mit schwarzen Segeln segelt mein Schiff

von Rationalstürmer

„Am Neujahrsmorgen saß das Kind in dem Eckchen, tot, erfroren am letzten Abend des Jahres.“ Andersen, immer dieser Andersen. Versaut aber auch echt alles, was es nur zu versauen gibt.

Aber wie´s immer so mit dem Teufel zugeht, wer schon tot ist, kann nicht mehr erfrieren, schon gar nicht am letzten Abend des Jahres. Der darüber hinaus eh schon den Jordan runter ist, dieser letzte Abend dieses einen Jahres. So gesehen bin ich fein rausgekommen aus dieser Affäre. Ein kurzes, aber mit viel Luft ausgestoßenes „Hurra, wir leben. Noch.“ scheint mir da nicht unangemessen, bei aller Unverständlichkeit, bei aller Unverständigkeit. Also gut, Jahr vorbei, Kind tot, ansonsten nur leichte Kollateralschäden zu beklagen und jetzt schon der Horror vor der nächsten Nebenkostenabrechnung. Heizen, es muss kräftig geheizt werden, seit Monaten schon und wohl Monate noch. Der Frühling, den ich vor einem Jahr schon zu riechen glaubte und der nie gekommen ist, er wird auch dieses Jahr auf sich warten lassen. Und dann noch die Stallpflicht ab dem 1. März. Also wieder kein Sonnenstrahl, der auf das dünne Leichentuch fallen darf. Heißt also noch weiter heizen und den Kohlenmann ins Haus kommen lassen. Weißt du eigentlich, dass ich ihn hasse? Er setzt sich in den roten Samt unserer Sessel und macht alles schmutzig mit seinen Kohlenhänden. Er bringt uns Dreck ins Haus. Dreck gegen Wärme. Ein beschissener Deal. Wir werden das irgendwann machen mit der Zentralheizung. Ja, ist ja schon gut. Ich lese weiter.

Nein, wie einem das Kind doch leid tun kann! So schön war es, so zart. Und ist doch so unschuldig gestorben. Weil die böse Großmutter nicht nein sagen konnte und das Kindchen unbedingt bei sich haben wollte. Ich hab lange hingesehen, bevor ich das Buch geschlossen und auf meinen Schoß gelegt habe: Nicht eine einzige Träne war da in deinen Augen zu sehen. Wahrscheinlich, weil du schon viel zu viel geweint hattest. Ein wildes Meer aus Tränen, ich weiß. Und immer wieder ein neuer böser Wind. Und immer noch höhere Wellen, wo du dich doch ohnehin schon kaum mehr auf den Beinen halten konntest. Aber du warst wunderschön anzusehen. Ganz nass von Regen und Gischt dein Gesicht, deine Wangen rot von der Kälte und deine Locken, deine wunderbaren Locken, die jetzt wie aufgeklebt aussehen. Du lenkst mich ab, merkst du das? Gerade ist uns das Kindchen noch unter den Gedanken weggestorben, und da kommst du mir mit deinem Tränenmeer. Ich war immer für Schwimmflügel, weißt du noch?

Ich Böser konnte nicht nein sagen und wollte dich unbedingt bei mir haben. Ich hab lange hingesehen, bevor ich das Buch genommen und verbrannt habe. Mein Herz ist treulos wie der Wind und flattert hin und her.

(Danke an Heinrich Heine und Hans Christian Andersen und an dich.)

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Friday Night’s Alright For Waiting

Ich hasse Warten, aber manchmal macht es mir nichts aus. Auch bei der abendlichen Schweinebraten-Zubereitung wäre Ungeduld die falsche Taktik. Liebe zum Detail und entspanntes Abwarten mögen nicht meine Stärken sein, aber wenn am Ende ein Götterschweinerollbraten wie der untige herausspringt, war es jede Minute wert.

In der 8mm Bar hat es freilich nicht so lange gedauert bis ich angetrunken war und mit dieser Liv-Tyler-artigen Scholz-und-Friends Art-Direktorin ins Gespräch gekommen bin und ihr erstmal gesteckt hab, was ihr Primus Inter Pares Jean-Remy so für Schoten schießt. Ich weiß nicht, ob sie mich verstanden hat. Häh, Blogger? Komische Leute, aber offensichtlich ganz attraktiv, wird sie sich gedacht haben.

Die Ankunft des legendären Isländers beschleunigte die Spaßpartikel an diesem Abend. Später im White Trash packte er seine besten Witze auf deutsch aus und wir staunten nicht schlecht über:

„Warum habe alles Deutsche einen Leiter mit beim Einkaufen? Weil die Preise sind so hoch.“

Den mit dem Mann, dessen Penis einen Schnupfen hat, erspar ich meinen leidgeprüften Lesern. Ungeduldig gebärdete sich auch so mancher männliche White-Trash-Besucher. Ganze sieben Anmachen zählte ich bei dem blonden Mädchen gegenüber und das innerhalb von anderthalb Stunden. Am Ende ein Logistikproblem für alle Beteiligten.

Ich hingegen verabschiedete mich schon vorzeitig mit der Bestellung eines Moscow Mules und den Worten „Macht’s gut ihr Idioten“ aus der Runde der geistig Anwesenden und eine Stunde später durfte ich dann auch endlich nach Hause gehen. Das Warten auf bessere Zeiten hat mir nichts ausgemacht. Alkohol dämmt die Ungeduld.

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Der Durchbruch

Der Abend hat eine enervierende Wendung genommen. War ich gerade noch auf dem Konzert von mehr oder minder Gleichaltrigen umgeben, die sich organisiert zu benehmen wussten, stehe ich plötzlich von Kids umzingelt, die einem stattlichen Kerl wie mir weder Platz machen, noch Respekt zollen. Die lesen wohl keine Blogs in diesem Etablissement hier. You don’t mess with the mighty Burnster. Ich fange an, Schnaps zu trinken und jede Wette auf das Alter der Mädchen hier zu gewinnen.

„Die ist locker 23, Burnster. Los, schnapp sie dir“, meint Kumpel J.
„Vergiss es, die ist keine 18“, kontere ich und behalte leider Recht, wie sich wenige Sekunden später herausstellt.

Auf dem Klo tummeln sich die Trainingsjackenboys offensichtlich eher zum Plaudern statt zum Pissen und ich muss anstehen, was mir ungefähr genauso liegt wie eine Teilnahme an der deutschen Hochschul-Ruderregatta. An der Bar frisst mir eine zwei-zentnerschwere Marzahner Hammerwurfnovizin die Salzstangen vor der Nase weg, die Barfrau serviert mir Berliner statt Becks und der Spasti hinter dem DJ Pult legt schon wieder Madsen auf. Genug ist genug, es reicht, ich hab die Schnauze voll. Ich bin ungeduldig und jähzornig und ich geh jetzt heim.

Tja, wenn das so einfach wäre. Wo zum dreifaltigen Gunther Gabriel hab ich denn meine scheiß Jacke hingelegt? Ah, da hinter die Sofas, auf die Fensterbank. Plötzlich löst sich ein Schrei aus meinem Mund. Was muss ich da sehen? Dreizehn identische Lederjacken mit Bündchen verleben ein fröhliches Miteinander auf der Fensterbank. Und ich soll da jetzt umständlich und uncool hinüber langen und mir auf Verdacht die richtige heraus fischen? Ohne den Burnster, Freunde. Mit Anlauf und angetrieben von Wodka und Wut schwinge ich mich ansatzlos über die Absperrung auf die Fensterbank. Ja, ich war ein guter Sportler auf dem Burkhardt-Gymnasium in Mallersdorf-Pfaffenberg. Vor allem am Barren.

An der Landung ist eigentlich nichts auszusetzen. Was den ästhetischen Gesamteindruck des Abschwungs etwas schmälert, ist das Splittern der hölzernen Fensterbank und meine Ankunft im Souterrain. Bricht doch dieses Hurenfensterbrett unter meinem Gewicht tatsächlich zusammen, ganz nach Gervais-Obstgarten-Art. Ich mache trotz Splitter im Fleisch auf cool und klaube meine Jacke auf, die wie durch ein Wunder direkt neben mir gelandet ist und klettere wieder nach oben in den Tanzsaal zurück, als mir ein jugendlicher Mitarbeiter des Clubs aufgeregt entgegen stürzt und mich fragt, was ich da unten zu suchen habe. Na warte, Früchtchen, du kommst mir gerade recht.

„Scheiße. Ihr Pappkameraden hattet einen Sprung in eurer Fensterbank und ich bin da eingebrochen. Du kannst heilfroh sein, dass ich mir nichts getan habe, sonst würde ich euch jetzt den Arsch wegklagen“, herrsche ich ihn an.

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Metzger

Manchmal kommt es zurück. Das Verlangen nach etwas Massaker. Ich hätte gerne etwas von dem blutigen Drama da links unten, ein bisschen Tod und Verderben, wenn sie frisch sind und ein paar Gramm Verzweiflung. Ach ja, und geben sie mir bitte noch etwas von den Innereien, und die Hirnwurst, die können sie behalten.

Eine richtige Blutbrotzeit. Ein Schlachterplatte, ein eiskaltes Buffet, ein letztes Abendmahl, ein Miststück zum Frühstück. Ach, wie schön rot waren die Zeiten als wir noch Arschlöcher waren. Wie saturiert, wie wenig blutdurstig sind wir geworden. Die Dämonen der Städte löschen schon lange keine Lichterreihen mehr aus. Herein in die gute Stube voller Finsternis, pflegten wir unsere Gäste zu empfangen. Ein Nachtisch aus Arsen und ein Aperitif aus hochprozentiger Rücksichtslosigkeit. Die Zeiten waren golden.

Frankie, würz noch mal mit der Pandorabüchse nach und erzähl uns über die Kunst sich aufzugeben. Mit deiner heiseren Stimme und deinem ledernen Gesicht. Sonst werden wir am Ende dieser Nacht noch nüchtern und dann wird sich kein Schwein mehr für uns interessieren und wir müssen kleinere Brötchen backen, während der Rest der Welt sich weiter für die deliriösen Schlächter interessiert. Die blutroten alten Tage, Frankie, erinnerst du dich? Wir ließen bitten und über die Klinge springen. Die Drecksarbeit haben wir doch immer am liebsten verrichtet. Bald sind wir selbst an der Reihe. Ich fühle die Messer der Blutdurstigen durch die kalte Januarluft zischen.

Frankie, gell, wir laufen nie ganz über? Ein bisschen meucheln und metzeln wir doch noch, oder? Hast du Lust? Ich hab Zeit.

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Death Moon Udo

Eine weitere halbbiografische Notiz bezieht sich rückwirkend auf meine jüngst verfasste Abhandlung über Werwölfe in Film und Fernsehen. Samstag Spätnacht habe ich ein besonders bemitleidenswertes Exemplar im ZDF gesehen. Der Wolf in „Death Moon“ befand sich auf Hawaii, vielleicht war das der Grund für sein legeres fluffiges Sommerfell. Sprechen wir nicht mehr darüber. Sprechen wir vielmehr darüber, dass unser Münchner Tatort Kommissar Udo Wachtveitel offensichtlich bereits in amerikanischen TV-Horrorfilm-Produktionen der Siebziger cineastische Morgenluft wittern durfte. Das ist nicht Robert Foxworth, die B-Movie Legende, das ist uns Udo. Überzeugt euch selbst an dem Foto ganz unten.

Gefreut hat mich auch die Ausstrahlung eines Crime-Klassikers namens „To Live And Die In L.A.“ auf NDR mit einem entfesselten Willem Dafoe in einer kaum polarisierenden Schurkenrolle. Man muss den smarten Pekuniärkünstler einfach mögen, während man fast erleichtert ist, wenn dem schon wieder ein bisschen Udo-Wachtveitl-artigen Main Cop am Ende das Gesicht in acht Teile zerschossen wird. Grandiose Beinleistungen von Darlanne Fluegel und Bianca Torres runden das Ganze zu einem echten Genreklassiker ab. Seit Kindesbeinen einer meiner Lieblingskrimis, von dem schockfrostenden Roland D-10 Soundtrack mal abgesehen.

Udo Wachtveitl in „Death Moon“

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Alles was sie will

Alles was sie will, ist ein langsamer Fick an diesem brutheissen Nachmittag. Alles was sie will, ist ihre Beine anwinkeln, sich ficken lassen und weiter daran denken wie es noch vor zehn Wochen war. Sie hat Nerven, mir ständig von ihm zu erzählen. Sie hat Nerven, mich wunderbar in der Nacht zu nennen und am Tag von ihm und ihr auf dem Gipfel der Welt zu erzählen. Da passiert etwas in meinem Schlafzimmer, das mir nicht geheuer ist. Da geht etwas um. Warum erzählt sie mir diese Geschichten über die Großstadt? Denkt sie, mein Leben sei langweilig gewesen bevor sie kam? Sie macht mir ein wenig Angst.

Ich sage, dass die Maschine da draussen auf und ab fährt. Dass sie uns holt und zerhäckselt wenn wir aufhören zu widersprechen. Sie nennt mich einen lausigen Pseudorebell und spreizt nur weiter die Beine, damit sie mehr von dem fühlt, was sie nicht fühlen kann. Sie hat Nerven, mich aus dem Licht zu ziehen und dann in finsterster Nacht zu verschwinden. Sie hat Nerven, die ich nicht habe. Während sie sich leid tut, versengt die Sonne im Juni meine Zweifel, die ich so dringend benötige. Als ich anfange zu weinen, springt sie wie ein Kind auf meinen Schoß und streicht mir die Haare aus dem Gesicht. Als ich nicht aufhöre, geht sie weg und wartet bis ich ihr nachkrieche.

Alles was sie will, ist ein langsamer Fick an diesem klirrend kalten Nachmittag. Alles was sie will, ist die Beine anwinkeln und sich ficken lassen während sie daran denkt wie es in den nächsten zehn Wochen sein wird. Sie hat Nerven, inmitten unseres Anfangs ihren Abgang zu planen. Da passiert etwas in meinem Wohnzimmer, das mir nicht geheuer ist. Warum tut sie mir diesen gefährlichen Gefallen? Sie macht mir ein wenig Angst.

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Blender

Ich hab das nicht ausgefressen. Das ist eine irre Zeit, das sind ganz wilde Tage. Und ich schwöre, diesmal ist es nicht meine Schuld. Ich hab das nicht so eingefädelt. Diesmal würde ich mich entscheiden. Diesmal hab ich es nicht versaut. Noch lange nicht.

Diesmal habt ihr an den Pfählen von Venedig gepfuscht. Ihr habt das Wasser hier rein gelassen. Ich war nur auf der Suche nach einer Couch, einer guten DVD und jemand, der mir die Fernbedienung aus der Hand nimmt. Ich war nur auf der Suche nach einer Pause. Doch die Schleusen stehen sperrangelweit offen und mein Wohnzimmer ist überschwemmt, ohne dass jemand hinter mir aufwischt.

Das war mein Spiel, das war meine Partie früher. Ich hab mir selbst ausgesucht, ob ich mitspiele. Jetzt ändern Leute die Regeln, denen ich sie nicht einmal erklären würde. Aber bitte, dann fangen wir jetzt an zu spielen. Ich kann länger unter Wasser bleiben als ihr. Und wenn ich auftauche seid, ihr längst vor Ehrgeiz abgesoffen und ich setze mich auf meine Couch und trinke ein Glas Rotwein, das mir bald jemand aus der Hand nehmen wird.

Ich hab nicht angefangen damit. Aber gib mir diese wilden Tage und ich zeige dir jemand, der sich schneller akklimatisiert als du „Depression“ sagen kannst. Diesmal kann ich mich entscheiden.

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