Weil wir eine faule Familie sind, fahren wir am Wochenende selten ins Grüne, ans Wasser oder sogar nach Brandenburg, sondern gehen entweder Kaffeetrinken oder geistern durch Stadtteile, die wir nicht kennen. Die sogar meine Frau als geborene Berlinerin nicht kennt und da gibt es einige (die meisten). Am letzten Wochenende sind wir zum Toys R Us nach Wittenau gefahren, weil uns eben nach Toys R Us war. Jetzt mag es auch daran gelegen haben, dass dem Himmel sein grauer Arsch fast bis zum Boden herunter gehangen ist, oder an dem schneidenden Ostwind, der einem jegliche Frühlingsgefühle mit der Stahlbürste ausgetrieben hat, aber das war der deprimierendste Ausflug, den ich seit langem in Berlin gemacht habe. Das Häuserbild da draußen in der Miraustraße gleicht einer von der Neuzeit vergessenen Trabantenstadt und der riesige Toys R Us ist im Prinzip die liebloseste Lagerhalle für Spielzeug, die man sich vorstellen kann. Noch nicht einmal unser Bub hatte Lust, dort durch die Reihen zu laufen. Und dann die Leute. Westasoziale, ganz klar, aber mit einer Basisaggression- oder wahlweise Depression, dass man sich am liebsten hinter den Dinosaurier-Regalen versteckt hätte, um nicht unangenehm durch seine Lebensbejahung aufzufallen. Dit is ooch Berlin, liebe Gentrifizierungsdebattierer, und sogar mehr als man denkt. Zu allem Überfluss waren wir im Anschluss dann auch noch bei Burger King, um uns so richtig tief ins Milieu einzufühlen. Und das Schlimmste war: wir haben keinen einzigen Ausländer gesehen, auf den man die schlechte Stimmung hätte schieben können.
Monat: Februar 2012
Kurzkritiken zu The Innkeepers, Final Destination 5, Crazy Stupid Love
THE INNKEEPERS
Gut ist dieser sogenannte „Slow Burn“, den Ti West in seinen Filmen exerziert. Dadurch rückt selbst das kleinste Details in den Focus, weil man ja weiß, dass man einen Horrorfilm schaut und irgendwann was passieren muss und es an jeder Ecke einen Hinweis darauf geben kann. Die Dialoge geben zwar noch nicht ganz so viel her wie bei erprobten Redefilmern (Sorkin, Tarantino, Allen), aber dafür sind Darsteller wie Sara Paxton wie aus dem Leben gegriffen. Zumindest bis zum Schluss, denn wie schon in House Of The Devil wirds plötzlich ganz furchtbar unplausibel und gehetzt, was den langsamen Aufbau wieder ein bisschen zunichte macht. Und irgendwie ärgert man sich dann doch über die mühsam angesammelten Details, die letztlich gar nichts zu bedeuten hatten. Dennoch der beste Spukfilm der letzten Zeit.
FINAL DESTINATION 5
Ich mag immer noch die Prämisse, dass der grimmige Senser seine verlorenen Schäfchen einsammeln muss, aber dass man selbst in der fünften Inkarnation so sturköpfig beim selben Schema (Ausflugskatastrophe/Tod holt alle Überlebenden/Tod lässt einen aus/Tod holt den Rest) bleibt, ärgert mich. Aber schließlich ist die finale Destination ja nicht der Oscargewinn, sondern die Kinokasse und insofern stehen uns wohl noch ein paar Endhaltestellen ins Haus. Ach ja, der Tod am Reck war super und jeder, der das in der Schule machen musste, wird mitfühlen können.
CRAZY STUPID LOVE
Merkwürdiger Film über das äußerst merkwürdige Verhalten merkwürdiger Leute in merkwürdigen Beziehungen. Die ein oder andere Pointe mag greifen, wenn man Steve Carell nicht so wie ich als total nervig empfindet. Der in dem Film auf parodistisch zum Überaufreisser stilisierte Ryan Gosling entdeckt dann plötzlich seine Gefühle und wird vom archaischen Volldepp zur zentralen Sympathiefigur, das fand ich saustupid, da schaffte es auch die crazy überspielende Emma Stone nicht mehr, mir Love für diesen Humbug abzuringen.
Kurzkritiken zu Moneyball, Tinker Tailor Soldier Spy, Drive, Ides Of March
Hab die Rubrik lange vernachlässigt, aber jetzt sind wieder ein paar Filme zusammen gekommen.
MONEYBALL
Aaron Sorkin könnte selbst aus meinem Leben noch einen spannenden Film machen. Ich verstehe nach über zwei Stunden zwar noch immer keine einzige Baseball-Regel, aber dadurch ist das fast ein Mystery-Thriller. Monströs coole Vorstellung von Brad Pitt.
TINKER, TAILOR, SOLDIER SPY
Ich hab den deutschen Titel grade nicht parat, aber er klingt nach der Fortsetzung eines Guy-Ritchie-Films. Gottseidank ist er in Wirklichkeit einer der besten Agentenfilme, die nie in den 70ern entstanden sind. Die Unaufgeregtheit ist nervenaufreibend, die Kalter-Krieg-Kulissen lassen einen selbst im gut beheizten Kino frösteln und die Brillen von Gary Oldman treiben jedem Fashion-Week-Gänger Tränen der Freude in die Augen. Die entfesselte Tiefenschärfen-Verlagerung ist der einzige ästhetische Maulwurf des Gegenwartskinos, der sich in dieses Spion-vs.-Spion-Szenario eingeschlichen hat.
DRIVE
Diesmal sag ich’s mit Frank Lachmann: „Er ist melancholisch nicht auf so eine kitschige düsterness-heidewitzka-tragisch –art, sondern auf eine ruhige, abgefuckte, angenehm deprimierende, lässige weise, so wie das zuvor nur einzelne (…) episoden von miami vice hinbekommen haben.“
IDES OF MARCH
In letzter Zeit kommen Filme, die eine imperiale Dialoggewalt und dennoch eine fast ehrwürdige Ruhe ausstrahlen, eher aus Amerika, denn aus Europa. Da vergisst man bei aller Schauspiel- und World of Wordcraft gerne, dass die Handlung gar nicht so originell ist. Aber das ist auch wurscht, weil das ist das Leben ja auch nicht. Starker Zweisitzer für Goosley und Clooning!
Kruzifix
Es ist noch dunkel, als wir aufstehen. Jemand hat gesagt, dass der Frühling vor der Tür steht, aber die Dunkelheit zieht sich wie Nebelschwaden durch den Anfang des Tages. Es ist noch dunkel, als wir aus dem Haus gehen. Und irgendwann auf dem Weg verzieht sich die Nacht, aber das Blei in den Knien bleibt noch Stunden. Niemand kann, was ich kann. Niemand kann mich auf Dauer unten halten. Aber ich werde alt. So alt und jeden Tag älter und müder und schwerer. Ich war der Erste, der seinen Kopf gehoben hat und bin der Letzte, der ihn senkt, aber ich bin so alt geworden. Der Kopf ist schwerer geworden, der Kopf und die Knie. Gottverlassene Orte haben wir damals aufgesucht, jeden Tag, zu jeder Gelegenheit. Gottverlassen und mit Benzin übergegossen. Niemand kann, was wir können. Niemand kann uns auf Dauer unten halten. Auf dem Weg in den Tag verirren sich zahllose fremde Sprachen zu uns. Wörter, Dinge, Einheiten, die wir nicht verstehen. Und das Draußen ist ein gottverlassener Ort. Nur am Abend, wenn es längst wieder dunkel ist und wir frierend im Warmen sitzen, ist das Versteck perfekt, die Dunkelheit kein Thema mehr.