Der Befund

Eine kurze aber langwierige radiologische Anekdote

Vor über einer Woche hatte ich dann dieses MRT. War gar nicht so unangenehm, die Schwester war freundlich und attraktiv und streichelte zur Beruhigung kurz mein Bein bevor es in die Röhre ging. Ich wollte diese Untersuchung nicht unbedingt machen, aber ein Experte für invasionäre Rückenbehandlung brauchte ein aktuelles MRT, um meinen Bandscheibenvorfall erneut zu verifizieren. Mein behandelnder Orthopäde schätzte allerdings, dass dies reine Geldmacherei sei. Ich ließ den entstandenen Befund sogleich zum Experten und zum Orthopäden faxen und brachte die Röntgenaufnahmen sogar persönlich im Sekretariat des Experten an der Charité vorbei. Ich selbst hatte den Befund nicht bekommen, aber ich rechnete ja fest mit einem Anruf des Experten in Kürze.

Als der nicht kam und ein paar Tage ins Land zogen, stellte ich fest, dass der Experte schon in Sommerurlaub gefahren war und so rief ich bei meinem Orthopäden an, um ihn nach dem Befund zu fragen, schließlich konnte es ja sein, dass sich mein Prolaps verschlimmert hatte, zumindest fühlte sich das seit ein paar Wochen so an. Die mir bekannte Sprechstundenhilfe versprach einen Rückruf. Zwei ohne Rückruf verstrichene Tage später rief ich wieder in der Praxis an und fragte nach meinem Rückruf. Worum es bei dem Rückruf ginge, fragte man mich und ich war dumm genug, ehrlich zu antworten, es ginge um die Einsicht in meinen aktuellen radiologischen Befund. Das war ein Fehler, denn jetzt wurde ich so richtig abgebügelt von wegen Rückruf und ob ich denn nicht wisse, dass ich ohne einen Termin beim Arzt keine Einsicht in meinen Befund bekäme. Nein, wisse ich nicht, ich will auch keinen Termin, weil ich nicht erst eine Woche warten will. Ob sie nochmals nach dem Rückruf fragen kann. Die gute Frau log mir in die Leitung, dass sie den Doktor konsultiere und ich hörte wie sie ihre Kollegin am Empfang fragte: „Befund am Telefon, nee, machen wir nüscht, oda?“. Dann teilte sie mir mit, dass es keinen Rückruf geben werde und ich einem Missverständnis aufgesessen sei. Daraufhin wurde ich etwas laut und auf ihre Frage, ob ich denn nun einen Termin wolle, meinte ich, dazu müsste ich mich erst wieder beruhigen und legte auf.

Am nächsten Tag machte ich mich auf zur radiologischen Praxis, wo das MRT ja erstellt wurde. Das geschah auf den Rat meines Phyisiotherapeuten hin, der meinte, ein aktuelles MRT wäre auch für seine Behandlung hilfreich. So stand ich nun in der radiologischen Praxis und wollte meinen Befund einsehen. Ob ich nicht wisse, dass das nicht ginge, meinte man zu mir. Man hätte den Befund ja schon an den behandelnden Orthopäden und den Experten von der Charité geschickt. Ich solle mich doch dahin wenden. Ich entgegnete, dass der Experte im Urlaub sei und der Orthopäde mir ja erst einen Termin geben müsse, ob man den Befund nicht auch an den behandelnden Physiotherapeut schicken könne, den sehe ich am ehesten. Ja, das sei die Lösung. Könne man. Ich solle einfach die Faxnummer dalassen. Jetzt muss ich zugeben, dass ich die Faxnummer nicht parat hatte und das Googeln im iPhone leider eine falsche Faxnummer zu Tage förderte. So rief mich die radiologische Praxis am nächsten Tag an, um mich auf die falsche Faxnummer hinzuweisen. Dankbarerweise hatte sie aber einen Lösungsvorschlag parat: Ich solle bei der Physio anrufen und diese selbständig den Befund anfordern lassen. Gesagt, getan.

Zwei Tage später ruft mich der Physiotherapeut an und meint, er wäre jetzt endlich mal bei der Radiologie durchgekommen und die hätten ihm gesagt, er bekomme keinen Befund ohne die schriftliche Vollmacht des Patienten. Okay, ich rufe also unter schwerem Seufzen bei der Radiologie an und wundere mich, warum man mir denn empfohlen habe, der Physiotherapie zu empfehlen, sich den Befund direkt bei der Radiologie zu holen, wenn die Radiologie ihn nicht rausrücken würde. Die Rezeptionistin seufzt mindestens genauso schwer und empfiehlt mir, den Befund bei meinem Orthopäden abzuholen. Das will ich nicht, sag ich, da bräuchte ich extra einen Termin und wer weiß, wann ich den bekomme. Sie verbindet mich mit einer Kollegin, die nicht seufzt, sondern lacht und sagt, es wäre jetzt eh schon alles so kompliziert, ich könne den Befund einfach jetzt doch persönlich abholen, wenn ich in der Nähe wohne. Und wie ich in der Nähe wohne.

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Sinai

Und dann eben auf dem Sinai gewesen. In Ägypten, dann aber doch wieder nicht in Ägypten. Irgendwie. Grauenvolle Anreise mit einem bis unters Dach vollgestopften Trombosebomber (Zitat Rod Gonzales) von Air Berlin, das sind die mit dem Kerosin im Blut. Angekommmen und sofort unter 200 Touristen vom Campchef erkannt worden, in einen Jeep umgetopft und zwei Stunden ab durch die Wüste, vorbei an Dahab und bei Nuwaiba ab ins Lager, das sinnigerweise RockSea hieß. Ich vermute mal, es handelt sich nicht um einen Zufall, dass die 18jährige, allen Beduinen den Kopf verdrehende Tochter des Hauses auch Roxy gerufen wird. Dufter Typ, unser Campchef namens Micha. Früher mit Atze Schröder unterwegs aber aus gottgegebener Duftigkeit die Komödiantenkarriere gegen ein Dasein am Roten Meer eingetauscht.

Wir also mitten drin in der Wüste und gleichzeitig am Korallenriff geparkt. Mit Blick aufs gegenüberliegende Ufer des Golfs von Akaba, 20km weiter nach Saudi-Arabien. Hier wird geschnorchelt sagte man uns und geschnorchelt wurde dann auch. Bereits am ersten Tag ohne Taucherbrille schlitzte ich mir an der Koralle das halbe rechte Bein auf und ging fortan nur noch sporadisch ins Wasser. Mit Taucherbrille. Das ist dann so, als taucht man im Berliner Zoo-Aquarium. Ziemlich freakige Fischshow. Oder fischige Freakshow. Wie auch immer, wenn einem dann wie meinem Kollegen Juri ein kindsgroßer weißer Fisch widerfährt, fragt man sich gelegentlich schon, ob es die Natur hier noch gut mit einem meint. Ähnliche Fragen warfen die am Eingang zum Riff lauernden Feuerfische auf und geradezu menschenverachtend gebärdeten sich die ortsansässigen Moskitos, die sich pünktlich zum Schlafantritt in einer gut organisierten Streit- und Stichmacht aufgestellt hatten, um unsere Blutarmeen bis auf den letzten Tropfenmann aufzureiben. 40 Stiche zählte ich mal eines Morgens auf dem Rücken des Kollegen.

Dabei haben wir weder denen noch sonstwem noch überhaupt irgendetwas getan, sondern lagen die gesamte Woche auf der zutiefst faulen Haut, alternierend lesend, wattend (für die Preußen: bayerisches Kartenspiel) und schlafend. Nachts dann, mit den Füßen fast in den Wellen, zu Abend gegessen: Sagenhafte Pizza vegetarisch von Beduinen interpretiert. Ägypter haben wir ohnehin nur an den zahllosen militärischen Checkpoints gesehen, sonst nur Beduinen. An besagten Checkpoints standen dafür jeweils ca. 8 schwerbewaffnete Menschen, von denen sich jeder autark für sich ganz genau überlegen durfte, ob er die Eintreffenden denn nun durchwinkt oder nicht. Und es waren nicht die einzigen Zeichen staatlicher Willkür, denen man in einer Woche begegnen konnte. Diverse Augenzeugen berichteten von mitunter blutigen Zusammenkünften zwischen ägyptischer Polizei und Beduinen. Ein Konflikt, zwischen dessen Fronten man nicht geraten möchte. Nicht zuletzt deswegen, weil vor ein paar Jahren (u.a. im Nachbarcamp) ein paar Bomben ein paar Leute zerlegt hatten.

Zerlegt hat uns allahseidank lediglich der mitgebrachte Ouzo und das ausgezeichnete linzenzgebraute ägyptische Stella. Meine Güte, was für ein super Bier, nicht wie das belgische Stella, sondern süßlich wie bayerisches Helles. Ein Lager zum vielmaligen Einlagern in die eigene Leber. An einem der Abende wo wir nicht den Vollmond aufgehen sahen und in den Wellen dinierten, fuhren wir mit dem Campchef in seinem Jeep auf eine neu fertiggestellte Burgruine mit Pool, Tanzfläche, Luxusapartement, Edelküche und Schatzkammer. Das Ding hoch auf einer Klippe über einem riesigen Sandstrand den der ägyptische Entrepreneur gleich mit gekauft hat. Man kann überhaupt sehr viel kaufen da unten, wenn man den Klingelbeutel aufmacht und die Augen davor verschließt, dass jede weitere Bombe den eh schon spärlichen Tourismus am Sinai weitere 15 Jahre in der Zeit zurückwirft. Wie der Beduine an sich, 500 Höhenmeter unter uns so eine Örtlichkeit empfindet, ich möchte es gar nicht wissen. Robert De Niro war wohl vor kurzem da gewesen und hatte sich noch geärgert, weil man ihn von Sharm El Sheikh aus 2 Std durch die Wüste verschleppt hatte, nur damit er in einer falschen Ruine sein Bier trinken darf. Überhaupt ist das ein seltsames Land, dieses Ägypten. Einerseits rasseln die Ketten des Tourismus so laut, dass man bald nichts anderes mehr hört, andererseits wird man als Tourist per se als Ungläubiger wahrgenommen und ohne den Ansatz eines schlechten Gewissens nach Strich und Faden verarscht. Wobei ich die Beduinen und freilich unsere Campfamilie explizit ausnehmen will.

Nach einer Woche wars dann aber auch genug mit mittelos im Mittlerem Osten, denn auch wenn ich mal dachte, dort wo es nie regnet, kann es nur super sein, hab ich mich tatsächlich über das schaurige Wetter in Berlin gefreut. Bevor wir das allerdings in Empfang nehmen konnten, wurden wir noch fast verschleppt. Zumindest war mir so, als unser an sich liebenswerter Raybantragender Taxifahrer Saad mitten in der Wüste angehalten hat und uns zwang in einen fremden Wagen einzusteigen. Gut, war sein zutiefst freundlicher Bruder, der den Rest der Strecke zum Flughafen weiterfuhr, aber hätte ja sein können. Als wir uns dann wenige Stunden später in der Air Berlin Schlange in Begleitung von Heerscharen ledergesichtiger und herummaulender hässlicher Deutscher widerfanden, tat uns jedes schlechte Wort leid, das wir über die Araber verloren hatte. Die Kulturen mögen grundverschieden sein und die meisten Länder dieser Welt unzivilisierte Wallachei, aber Arschlöcher sind sie überall zu gleichviel Prozent.

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Out Of Tune

All the leaves will burn and autumn fires then return.
All the fires we burn, all will return.
Music is my savior, and I was maimed by rock and roll.
I was maimed by rock and roll.
I was tamed by rock and roll.
I got my name from rock and roll.
(Wilco – Sunken Treasures)

Ich seh dann wie jemand, den ich mag, diese Lebenspanik überfällt und kenne das von mir. Da fehlt nur ein kleiner Baustein. Man findet den Haustürschlüssel nicht oder in diesem Fall ein unerlässliches Dokument für den anstehenden Amtbesuch. Und schon fällt alles über einem zusammen und man liegt auf dem Boden und es ist dennoch keiner mehr unter einem. Alles kommt zusammen und fällt ins Bodenlose. Man fällt nur mit und staunt über den Schutt, der rieselt. Die ganze Verantwortung, die ganzen Pläne, die Ideen vom perfekten Beruf und der perfekten Familie, der perfekten Gesundheit und der perfekten Körperhaltung. Die ganze Aufrichtigkeit und die ganzen Lügengebilde, alles rauscht in die Tiefe und man kann nichts davon aufhalten. Es tut weh, das bei jemand zu beobachten, den man mag, auch wenn man weiß, dass in 90% der Fälle mit dem neuen Tag auch der Halt am Alltag wiederkehrt. Es tut weh, weil man das kennt und weil man erkennt, wie wenig Chance man hat, all dem gerecht zu werden, von dem man sich vorgenommen hat, es nach seinen Vorstellungen zu errichten. Der latent kaputte Lebensstil, den ich viele Jahre gepflegt habe, hat mich fast noch mehr zum Angsthasen werden lassen, nicht den Sprung ins Bürgerliche zu vollziehen. Dabei brauchen wir alles, nur nicht das Bürgerliche, ausser es liegt uns am echten Herzen. Wir brauchen nur ein gesundes Selbstbewusstsein und einen Scheißdreck auf die Leviten der anderen. Wenn ich sehe, wie jemand anderen, den ich mag, diese Lebenspanik überfällt, wird mir das bewusst. Dass immer was im Argen liegt, dass nie alles passt und noch nicht einmal das meiste, aber irgendwas doch immer.

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Aufwachzimmer

Und ich bin überhaupt der Verbissene. Der Verbissenste. Verbissen in eine Idee, die ich von mir habe. Eine Vorstellung, von der ich mich dauernd lösen muss und so eine Manie daraus mache, mich ihr wieder anzunähern. Ein ganz normaler Vorgang in der Vita eines Denkenden, von denen es auch andere gibt. Und ich mache eine Manie daraus. Ich bin manisch. Ich bin verbissen in die Idee einer größtmöglichen persönlichen Freiheit, aber entließe man mich in eine solche, ich wäre heillos verloren. Als Verbissener fällt mir ein Lächeln schwerer als ein vulgäres Lachen, eine Lösung schwerer als eine Problemerkennung. Und dann ist Karfreitag, es war ohnehin eine passionierte Woche, ich steig auf das Fahrrad, das immer so tut als wär es teuer und dabei rettungslos gen Komplettverrostung treibt, und ich fahr los. Und für einen kurzen Moment glitzert die Spree, es lacht jemand ganz tiefgründig vom Ausflugsboot ans Ufer herrüber, links uns rechts stehen die Bäume plötzlich in voller Blüte und aus dem iPod röhrt ein Text, der sagt, dass das Geld die Gewalt zurückerlangt hat. Und die Verbissenheit ist weg. Wie ein Idiot muss ich die Arme ausbreiten beim Fahrradfahren und ich glaube, ich bekomme einen Sonnebrand. Und dann bin ich ganz hellwach. Kann sein, dass das an der körperlichen Betätigung, am Frühling oder an Wilco liegt. Vielleicht an allem zusammen. Vielleicht auch am Wasser. Im Grunde genommen wurscht, weil ich kurz im Aufwachzimmer bin. Da scheint ja immer ein Bett frei zu sein. Das Dumme ist nur: man muss vorher einen Unfall haben.

recovery

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Letzte allgemeine Verunsicherung

…und wie man dann von einem Tag auf den anderen alles bezweifeln mag. Alles, was man am vorhergehenden Tag noch für super und selbstverständlich und mitunter für superselbstverständlich gehalten hat. Das ist doch eine der faszinierendsten Untugenden des Menschen. Und zeitgleich Tugenden. Denn so grässlich und unerwartet der Hinterhalt einer völligen Globalinfragestellung des eigenen Lebensprofils auch ausfallen mag, so vorwarnend kann er sein. So irrational diese fürchterlichen Selbstzweifel an manchen Tagen auch scheinen, so sind sie doch nur Vorboten einer dämmernden Fehlleistung, die locker abgewendet werden kann, deutet man die Depression richtig. Grade jetzt eben ist ein gutes Beispiel. Ich habe einen Bastard von einem Tag und kann nichts Richtiges an meiner Lebensweise finden. Wie ich meinen Job mache, meine Beziehung führe, meine Zukunft plane. Ich muss dem Frust auf den Grund gehen, sonst geht er nicht weg. Vielleicht auch schon. Aber jetzt bin ich schon am Nachdenken und da erscheint es mir irrational, dass gleich der gesamte Lebensentwurf Mist sein soll. Das klingt nicht plausibel. Das klingt nach Paranoia. Also müssen es nur ein paar Dinge sein, die mir wirklich Kopfzerbrechen bereiten. Die filtere ich heraus, jetzt grade, in der Sonne, im Café, am Notebook. Und mache sie besser. Morgen oder erst nächstes Jahr. So funktioniert dieses verdammte Frühwarnsystem manchmal. Praktisch ist das nicht, zuviel Blut muss fließen bevor ich in Klausur gehe. Vielleicht ist die Verunsicherung aber auch sofort wieder da, sobald die Sonne untergeht. Vielleicht es nur der widerwärtige Rückenschmerz. Hell, I don’t know. And hell, I don’t care.

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Runterkommen

Dann mal wieder in Barcelona gewesen. Abends in dieser Fischkneipe, die Italienern gehört. Die Eltern waren nicht mehr in der Lage, das Restaurant weiter zu führen und es war so gut wie geräumt, aber dann ist doch der Sohn und seine Frau eingesprungen. Es gibt da diesen fruchtigen Weißwein aus Galizien, der aber nur in dieser Fischkneipe so brutal mundet. Der Laden liegt fast am Hafen, gerade noch so im Gotico, eigentlich fast im Borne. Er ist mehr Zimmer als Restaurant und sieht mehr nach Imbiß als nach Ausgehen aus. Tellerweise Fisch bestellt. Tellerweise frittiertes Gemüse und immer wieder dieser fruchtige Wein und ein Kräuterschnaps hinterher. Zwei Zigaretten, ein Taxi und ein tiefer Schlaf. Ansonsten bei gleißendem Sonnenlicht über den Montjuic gewandert und die nächsten Abende schon wieder Glück mit Essen gehabt. Sonntag Abend das erste Mal in meinem Leben Julia Roberts gut gefunden. Bei Duplicity haben sie die Bilder und die Dialoge geschliffen, bis alles erstrahlt. Wie ein neuer Oceans’s 11. Herr Gilroy ist nicht von irgendwoher ein Soderbergh-Spezl und der Michael Clayton-Regisseur. Dialogwitz ist überhaupt neben Essen und Frauen eine der ganz schönen Sachen auf der Welt. Und Thomas McCarthy ist ein großartiger Schauspieler, das hat er schon in der Journalisten-Staffel von The Wire bewiesen. Und dann heute morgen nach Berlin. Orkanartige Wetterfolter, eiskalt und die Krupps im Fernsehen. Kann man doch nicht machen mit jemandem, der in strahlendem Sonnenschein in Barcelona im 7. Stock aufgestanden ist und die Welt noch glänzend gesehen hat.

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Der Tod, das Meer und das Gymnasium

Ständig schleicht sich der Tod an in meinen Träumen. Meistens nicht in voller Montur, aber irgendwo hat er sich immer verkrochen. Zum Beispiel in einer Form, dass man im Traum über einen alten Freund spricht, der gestorben ist, oder dass man sich in einem Haus aufhält, wo jemand nicht mehr lebt. Manchmal kommt es auch zu einer Lebensbedrohung in den Träumen. Nie erwischt es mich oder bin ich es, der bedroht ist, immer ist es eine andere Person, aber immer habe ich ein schlechtes Gewissen. Was genauso häufig vorkommt wie der Tod, ist der Urlaub. Oder der Urlaubsort. Verrückterweise scheint der sogar eine eigene Geographie zu besitzen. Es ist immer der gleiche Ort zwischen Meer, Lagune und Flüssen. Die dritte Komponente ist mein altes Gymnasium, ich bin dann wieder in der Schule und auch da herrscht so eine Art Todesbedrohung, aber sie manifestiert sich in einer erschütternden Erschreckung. Ich stelle mit Grausen fest, dass ich noch nicht erwachsen bin und Prüfungen ablegen muss, auf die ich in keinster Weise vorbereitet bin. Das versetzt mich derart in Panik, dass ich mir wünsche, ich träumte nur und versuche durch puren Willen aufzuwachen. Ich denke, das funktioniert, aber vielleicht ist das auch der Moment, wo meine Frau ins Bad geht und ich eh wach geworden wäre.

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Kurzkritiken zum Knochenmann, Wrestler, Underworld 3, Basta und Mr. Brooks

Der Knochenmann:
Nicht mehr viel mit Haas Buch zu tun, aber ein Hader als Brenner in Vollendung. Trendaktrice Minichmayr sehr gut, auch wenn ich ihr das Campino-Duett übel nehmen muss und überhaupt ein einziges Method Acting Vehikel für den Bierbichler. Großartige Chemie zwischen dem Bertie und dem Brenner. Die tödliche Tristesse des Umlands samt Autobahnanschluss scharfsinnig eingefangen. Für nicht des Bairischen (ja so heisst das linguistisch korrekt, liebe Österreicher) Mächtige sicher ein Graus und für Murnberger- und Haas-Ungebübte sicher auch mit über zwei Stunden eine zu große Leidprüfung.

Underworld 3:
Ich mag die beiden Vorgänger (bzw. Nachfolger nach neuster Chronologie), aber Teil drei war ja wohl ein Riesenschmarrn. Deppertes und vollkommen vorhersehbares Romeo und Julia-Szenario, unübersichtlichste Hautfetzerei, grauenvolle Dialogfetzen und ein Overacting der Herren Nighy und Sheen (grade noch so gut bei Frost/Nixon, aber vielleicht hat der ein Pupillenproblem und muss so glotzen), dass ich irgendwann gern umgeschaltet hätte, aber ich saß ja im Kino.

The Wrestler:
Erstaunlich, dass sich mal jemand die Zeit nimmt, die finsteren Seiten des Wrestlinggeschäfts so zu sezieren. Irgendwie fühlt sich der Film für mich als extreme Kunstnische an, aber in den USA ist die Industrie eine sehr einträgliche und so ein Film ist mutiger als er uns erscheint. Ansonsten nix zu mäkeln, intensive Frisur von Mickey Rourke und ein Hardcorematch, wie ich es im richtige Wrestling so brutal noch nicht gesehen habe. Musste noch schmunzeln, weil ich gelesen hatte, dass Hulk Hogan damit prahlt die Rolle angeboten bekommen zu haben. Ja, ja, als ob der Egomane Hogan sich freiwillig eine Duschhaube aufgesetzt hätte.

Basta/C(r)ook (DVD):
Ein Film der gleich zwei Titel, eine Klammer und zwei Untertitel braucht um seine Doppelbödigkeit zu erklären kann eigentlich nix sein. Hab ich mich aber von der Besetzung blenden lassen. Hübchen/Hader/Harfouch/Bleibtreu. Hätte meiner gewohnten Maxime treu bleiben sollen, dass der deutsche Film auch trotz Hader nix taugt. Was Pepe Danquart da hingestellt hat, ist eine peinliche Aneinanderreihung von Ostmafia-Klischees, ein Greenaway für Mikrowellengerichtler und alle zwei Sekunden eine Scheißmusik, die’s nicht gebraucht hätte. Zwei Doro-Filme, ein Treffer also. Weil der Knochenmann, der war ja gut, musst du wissen.

Mr. Brooks (DVD):
Solider Killer-Thriller mit Kevin Costner. Eine Art Dexter für ruhigere Gemüter. Zweifelhafte Message, wenn der Schlächter kein Schlechter ist, sondern eigentlich der netteste Mensch im Film. Sogar sein Mr. Hyde Big Willy Hurt räumt Sympathiepunkte für gute Gags ab.

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hahn solo

Und dann steh ich da auf der Straße nachts um halb 2 und obwohl der Tag wärmer als die vorhergehenden war, ist es jetzt schon wieder eiskalt. Ich habe das Gefühl ich zerbreche. Oder vielleicht löse ich mich in der Kälte auch langsam auf. Mein Rückenschmerz zwingt mich, nach Hause zu gehen, obwohl ich noch ein zwei Schnaps vertragen könnte. Er zwingt mich, diese Straße hinunter zum Nordbahnhof zu gehen, eine Straße, von der ich glaube, sie mal gemocht zu haben, aber an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Denn in diesem Zustand ist sie nur kalt und skalpiert mich. Wirklich. Die Haut geht mir in Fetzen ab und je länger der Winter dauert, desto dünner und weniger wird meine Haut. Ich muß mir am Rosenthaler Platz ein Grillhähnchen besorgen und mich auf dem Rest des Heimwegs daran wärmen, sonst gehe ich noch während des Gehens ein. Bleibe einfach auf der Stelle stehen und verende auf der Stelle. So kalt ist mir nämlich. Dann kommt diese Frau aus meiner ehemaligen Arbeit und spricht mit mir. Ich kann kaum zuhören vor lauter Heimweg. Das Hendl in meiner Manteltasche gibt sicher nur noch Wärme für ein paar wertvolle Minuten. Minuten, die ich nicht in diesem Gespräch zubringen möchte. Der Freund der Frau aus der ehemaligen Arbeit will eine Show machen. Vermutlich will er ihr beweisen, dass er super ist. Viel mehr super, als der Typ mit seinem Hähnchen in der Manteltasche. Er macht sich über meine Krawatte lustig, die ich im Reissverschluss meiner Unterjacke eingeklemmt habe. Ich rücke sie zurecht und gehe nicht auf seinen Witz ein, weil er sonst denkt, kontern zu müssen und dann komm ich nie hier weg. Ich rede gedankenverloren von dem australischen Café bei mir an der Ecke. Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich das Gespräch am Laufen halte, während der Hahn in meinem Mantel gerade seine letzte Grillwärme aushaucht. Der Freund der Frau aus der ehemaligen Arbeit sagt, dass der Besitzer des Cafés einer seiner besten Freunde sei, obwohl ich ihn noch nie dort gesehen habe. Aber das sagen alle angeblichen Freunde von dem Cafébetreiber. Weil er Australier ist und die Leute ihn mit ihrem tollen Englisch beeindrucken wollen und er dann was lustiges sagt und dann die anderen wieder 20min erzählen lässt. Da denken die gleich, sie sind jetzt beste Freunde. Warum ich schon nach Hause gehe, will die Frau aus der ehemaligen Arbeit wissen. Weil mir kalt ist, sage ich und kann das Grillhendl nicht mehr spüren. Und weil ich in der Arbeit in 5 Jahren nicht so viel mit dir geredet habe wie in den letzten 5 kostbaren Minuten meines Lebens, die mich nahe an die völlige Zerbröselung meines Körpers gebracht haben, sage ich mir. Ich war mal mit meiner Schwester im Urlaub in Spanien und da haben wir diese Frau aus der damals noch tatsächlichen Arbeit auch getroffen. Zufällig. Das war eine schlimme Geschichte, was nicht ihre Schuld war. Aber zu reden hatten wir auch da eigentlich nicht viel. Ich prognostiziere zum Abschied ein Treffen in dem australischen Café zu dem es vermutlich nie kommen wird. Ich sage, ich finde mein Handy nicht zur Abspeicherung der Nummer. Ich weiß auch wirklich nicht, in welcher meiner 10 Jackentaschen es sich befindet, weil ich ja drei Jacken übereinander trage. Aber sie ruft mich an und der Vibrationsalarm verrät mich und schon bin ich zum Nummerntausch gezwungen worden. Ich renne fast nach Hause in der irrigen Hoffnung, es könnte sich noch ein Hauch Wärme in dem Grillhendl befinden. Wie ein Irrer zerreiße ich am Küchentisch das halbe Huhn und stopf es in mir in den Mund. Am Ende ist mir tatsächlich noch ein bisschen warm davon geworden. Aber ich schwöre, wenn das so weiter geht mit der verlorenen Zeit und der verlorenen Körperwärme, dann geh ich vor die Hunde. Wenn nicht diesen, dann nächsten Winter.

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emotional stuntmen

Manchmal ist der Reiz so groß, das Verlangen so lasziv, dem Chaos seinen Lauf zu lassen. Sich einfach überlaufen zu lassen, sich auf die hässlichen Straßen hinausschwemmen zu lassen. Sich dem puren Verlauf hinzugeben. Weil du weißt, dass das nie wieder so passieren wird. Weil du sicher bist. Weil du dir sicher bist, dass ein weiterer Kontrollverlust vielleicht der letzte sein könnte. Dass er nur am Anfang, wenn das Ausmaß des Grauens noch ein Jahr in der Ferne liegt, seinen Reiz behielte. Und vielleicht ist es genau das, was Erwachsenwerden bedeutet. Der Sprung hinter die sichere Deckung. Das ist die furchtbare und furchtbar beruhigende Wahrheit über das Ende der Jugend. Dass du dich nicht mehr treiben lässt. Hinaustreiben aus deinen Plänen und Vorstellungen von Kommodität und diesen No-Risk-No-Fun Gedanken bis in eine haarsträubend gefährliche emotionale Stuntman-Tätigkeit ausufern lassen. Bis aus dem Leben ein Überleben wird.

Aber das kannst du dir nur leisten, wenn du ganz alleine bist und sein magst, denn wenn du andere da mit hineinziehst, bist du ein ganz egoistisches Arschloch. Und das wolltest du doch ab 30 nicht mehr sein. Also ziehst du den Kopf ein, wenn Gefahr droht, beschützt dich und diejenigen, die sich gerne mitbeschützen lassen. Aber wenn es so regnet wie heute, dann möchtest du manchmal die Pfähle, die diese Stadt über Wasser halten einfach umnieten und zusehen wie alles untergeht, den Bach hinuntergeht. Und an einem anderen Tag an einem völlig anderen Ort aufwachen. Von der Strömung, vom Chaos einfach wo anders an Land gespült. Von einem unendlichen Heimweh geplagt, das dich am Leben erhält.

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