Brennerpass Spezial: FIFA 15, eine Ehrenrunde

Oh, was habe ich die Konsole angeheizt in meinen „wilden“ Jahren. Ich habe weniger geschlafen als mit Kleinkind, nächtelang bin ich Liberty City leer gefahren oder habe ganze Bundesligsaisonen in einer Nacht durchgespielt. Zu meinen geselligeren Zeiten (sprich: in Festanstellung) haben wir auch noch PSE gespielt, aber spätestens mit dem Ehestand bin ich vollständig auf FIFA umgestiegen und stand einmal sogar am Tag vor dem Erscheinungstag um 9.00 bei Media Markt. Vor drei Jahren habe ich aufgehört mir Videospielfußball. Warum? Zum einen, wegen dem Schlafentzug durch das Kind, denn der hätte sich mit einer aktuellen FIFA-Version verdoppelt und es wäre netto noch eine halbe Stunde übrig geblieben in der Babyzeit. Zum anderen, weil mir die Ladezeiten, die ewig gleichen Animationen und überhaupt die ganze Routine auf die Nerven ging. Die ganzen kleinen Details, die nicht stimmen, ob das Spieltage an Weihnachten, falsche Spielerwerte oder das generische Gesicht, das Pizarro darstellen soll, waren.

Jetzt, wo sich die Ära der PS3 ihrem Ende zuneigt, und ich ja erwiesenermaßen ein Fin-De-Siecle-Typ bin, habe ich doch wieder Lust bekommen, noch einmal die Steuerkeule zu schwingen und eine allerletzte Saison FIFA 15 durchzustehen, natürlich mit meinen Bayern. Neugierig, was sich in drei Jahren geändert hat oder eben nicht. Neugierig, was das Spielen nach der langen Abstinenz mit mir macht und ob ich immer noch vor Wut den Controller in die Fensterpflanzen feuere. Exemplarisch will ich deshalb ein Spiel so kommentieren, wie ich es im Brennerpass machen würde.

SPIELTAG 19

Bayern – Stuttgart 9:1 (6:0)

Wenn die Rückrunde auch so ein Spaziergang wird, dann kann Mayer eigentlich bis zur Meisterschaftsfeier am berechneten 23. Spieltag in Urlaub fahren, das Trainieren schaffen Hermann Gerland und der spanische Wasserballer auch alleine. Auch wenn es genau zwei Spieltage gab, an denen alle Mannschaftsteile fit waren, nimmt jeder Einspringer seine Einsatzzeit humorloser ernst als Drax The Destroyer. Jetzt wo Alaba wieder da ist, muss der Fetzer Bernat zwar wieder ins zweite Glied, dafür hat sich gegen Mainz im Pokal Boateng verletzt und ermöglicht so Holger Badstuber, jedem Stuttgarter, der sich nicht im Boden vergräbt, den Ball abzunehmen wie bei der Leibesvisitation. Und selbst wenn Schweinsteiger mit einem Knöchelbruch mindestens drei Monate fehlt, hat man noch Mittelfeldspieler zum Saufüttern (dachte ich noch). Martinez ist seit seiner Genesung im Dezember in Galaform und jetzt brilliert plötzlich auch der ehemalige Stolperkönig Rode.

Es ist gut vom Trainer Mayer, das er trotz der überragenden Form von Götze (11 Tore) und Lewandowksi (17 Tore) auch hin und wieder andere Leute den Gegner ins Unterholz schießen lässt, immerhin kann man so vielleicht die ersten drei Plätze in der Torjägerliste besetzen. Natürlich war es eine Farce, dass man für 20 Millionen und per Tausch mit Shaqiri Max Meyer von Schalke in der Winterpause geholt hat, immerhin war die Torausbeute das geringste der nichtexistenten Bayernprobleme, aber der Junge übt seinen Beruf mit einer Leichtigkeit aus, die weder der nachdenkliche Pole noch der wieslige Götze auf den Platz bringen. Bei denen hat alles eine leidende Gravitas oder eine Wunderkind-Attitüde. Aber alles nichts gegen Robben, der neuerdings lupenreine Quadrupel-Hattricks (gibt’s die?) schießt und auch gegen Stuttgart über den Platz donnert wie ein junger nordischer Gott ohne Haare. Warum die gegnerische Mannschaft die rechte Seite quasi verweisen lässt, sobald der Gott des linksfüßigen Donners auftritt, ist die andere Frage, es muss wohl Erfurcht sein. Was auch im Spiel gegen Stuttgart wieder aufgefallen ist (oder eher ausgefallen): Xabi Alonsos Fitness. Der Mann ist 33, läuft aber nach einer durchgezechten Halbzeit wie 83. Bisher war er völlig verletzungsfrei und damit ein medizinisches Wunder im aktuellen Kader, aber im Spiel, kurz nch dem 7:0 hat es ihn dann auch erwischt. Beim Steilpass von Harnik amputiert – Außenbandriss, acht Wochen Pause. Dann wiederum ist die Spielweise der Bayern unter Mayer tatsächlich nichts für zarte Mittelfeldgemüter. Ich beschreibe mal kurz die Strategie: in der Abwehr wird gestochert wie in einem Wurstsalat nach Käsewürfeln, solange bis der Ball da ist. Dann bekommt das Mittelfeld den Ball und es wird gesprintet, gedribbelt und tödlich durch die Gegend gepasst, dass man feuchte Augen bekommt. Das ist keine Kreativzentrale mehr, das ist schon das Louvre des deutschen Fußballs. Und wenn der Ball dann auf den Flügeln landet und Robben ist nicht verletzt, kann man eh einen Haken drunter setzen, andernfalls mäht Lewandowski durch die Stuttgarter Innenverteidiger, als müsste er dringend aufs Klo. Und natürlich kommt auch in diesem Spiel mal wieder ein Ball durch die löchrigen Gartenzäune von Stocherhausen (meistens an der Casa de Benatia), aber dann gibt es ja immer noch dieses Ungetüm namens Manuel Neuer, das schon am Rand vom Sechzehner steht, wenn der Stuttgarter nur unauffällig in Richtung Bayerntor guckt und verlegen hüstelt. Wenn dieses Ungetüm dann aber mal kurz neben den Ball prankt, gibt es dann halt das erste Gegentor in der Liga nach 12 Spielen. Der Vollständigkeit halber: Tore von Benatia, Robben, Lewandowski (3), Martinez, Götze und Meyer (2).

FAZIT: In drei Jahren hat sich gar nicht soviel getan im FIFA-Land. Zumindest auf der Altkonsole. Vielleicht hat man sich die großen Grafikhämmer und ein echtwirkendes und mitfühlendes Publikum, so wie Kampfspuren, Emotionen und sonstige Indizien für eine Personensimulation für die PS4 aufgehoben, dennoch ist das Spiel doch noch physischer und realer geworden. Im besten Sinne zeigt sich das an der quirligen Ballphysik, im schlechtesten daran, dass sich die eigenen Spieler ständig über den Haufen rennen. Einen wahnsinnigen Spaß macht das Spiel aber trotzdem, vor allem weil ich eines mag, was viele bekritteln: mit einem Robben läufst du nunmal in drei Sekunden den Platz runter und schießt ein Gustotor, mit Alex Meier (no offense) dann eben nicht. Und selbst wenn ich in der Spielstufe Semi-Pro durch die Konkurrenz gehe wie ein Buttermesser und wahrscheinlich auf der nächsten Stufe jedes Spiel verlöre ist auch im Videospieluniversum was dran an der furchterregenden Dominanz der Bayern, wenn sie auf allen Positionen gesund sind und jemand (!) trainert, der echt Ahnung von Fußball hat. Disclaimer: Der einzige Spielmodus, den ich ausprobiert habe, ist Karriere/Bundesliga/Bayern. Hat für Allmachtsphantasien voll ausgereicht.

Tabelle

(P steht für Spieltage, nicht für Punkte, falls jemand fragt. Der Abstand zu Dortmund beträgt 22 Punkte)

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