Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal

Der Prenzlauer Berg hat sich heute abend grotesk lieblich herausgeputzt, seine Fassaden goldgebräunt, so dass die Abendsonne ihr Licht- und Schattenspiel mit Außenstuck, französichen Balkons und Fensterfronten unter Idealbedingungen vollziehen kann. Der spanische Wein und die rauchige Chorizo legen einen weiteren Weichzeichner über meine Auffassungsgabe und mit mulmiger Faszination ruhen meine Augen auf einem Typ Frau, der mir eines Tages noch den endgültigen Garaus bereiten wird.

Während falsche Hoffnungen und verfrühte Aufgabegedanken sich im mahlzeitsbegleitenden Gespräch ins Gehege kommen und man verbale Türen vor der Nase zugeknallt kommt, obwohl man noch die Klinke in der Hand hält, während man selbst aus dem Vollen schöpft und andere aus dem Nähkästchen plaudern, während all dieser Zeit wechseln sich zahlreiche Anwärter auf den Titel Müllcontainer des Abends ins Spiel mit dem garausenden Typ Frau ein, die da in dem weißen Rock im Sand sitzt.

Seinem Gegenüber die Blickestreue zu halten, fällt schwer, wenn das Fräulein bei jedem Griff in die Tasche zwischen ihren Wildlederstiefeln die Farbe ihrer Unterwäsche in den Raum wirft. Der Isländer rügt mich zurecht, ich würde ihn aus einer Konversation herausblocken, die er ohnehin nur mit sich selbst führt. Diese Zigarette ist der nächste logische Schritt hinein in diese Nacht, denke ich und bestelle einen neuen Gin & Tonic an der Außenbar.

Es herrscht schon tiefe Nacht hier im artifiziellen Sandareal und ich frage mich, wer denn nun endlich einmal „Norman Three“ verdient hat. Das Liebeslied mit dem repetetivsten Refrain, den ich kenne. Ich glaube, elfmal singt Norman Blake am Ende „Hey, I’m in love with you. And I know that it’s you“ und mit jedem Mal klingt es intimer. Aber keine Kandidatin hat sich dieses Songs als bisher würdig erwiesen, denke ich verbohrt und während ich in Kandidatenkategorien denke, huscht bereits der Nächste an das blonde Fräulein heran und doziert Unsägliches über den Berliner Nachthimmel. Ich will es doch gar nicht hören.

Wenn ich die Augen schließe, kann ich mich bei dem Spanier an den goldbraunen Fassaden mit jemand anderem als dem Isländer weiterunterhalten und doch gelangen Teile der Strandbar in die Konversation. Zudem tauschen sich die Statisten immer mehr aus. Der Sand vermengt sich mit dem Straßenstaub und die feiste Dämmerung der Sredzkistraße verliert aus pseudochronologischen Gründen gegen die sich ausbreitende Dunkelheit über der Museumsinsel. Und immer noch bin ich in zwei Nächten gleichzeitig, was ein ganz wundervolles Gefühl ist.

Und unten die Ströme
Come on over, break some bread. Close the window and we lay on the bed.

The City’s Ripped Backside

Mit ihrem Milchkaffee und einer Packung Zigaretten steigt sie auf die oberste Plattform ihres Zuckerbaudachs. Sie ist in dieses Haus gezogen, um über der Stadt zu wohnen. Um über der Stadt spazieren zu gehen. Sollten die Leute ruhig auf der großen Allee wandern, sie schwebt über die Dächer und Fluchten. Hier oben erscheint ihr Traum von der Musikerkarriere umsetzbarer als unten. Und so schäbig die Pappdächer und alten Antennen an den Herbsttagen wirken, der ungebändigte Himmel im Oktover veredelt alles. Und wenn das Flachdach vom Abendlicht in Gold gegossen wird, erscheint ihr die Straße dort unten wie ein Fluss.

An einem anderen Tag kommt er auf das Dach. Zufällig und sensationslüstern. Achtlos gegenüber den Feinheiten ihrer Himmelskultur. Er spricht schön, doch damit kaschiert er nur seine nervöse Zielstrebigkeit. Er ist ohne Hoffnung, aber ohne dass sie ihm fehlen würde. Er ist im Stande, ihr Dach, ihr Dasein zu verwüsten, an einem einzigen Tag. Dann wird er wieder hinabsteigen, ohne sich zu erinnern, je hier oben gewesen zu sein. Sie fürchtet ihn, aber natürlich lässt sie sich gerne von ihm verfolgen, an diesem frühen Abend auf dem Dach. Fast beiläufig injiziert er ihr das Gift der Bodenständigkeit und nachdem er weg ist, kann sie keine Begeisterung mehr auf dem Zuckerdach empfinden. Lange Tage verbringt sie in ihrer Wohnung unter dem Dach, ohne wieder hinauf zu steigen. Irgendwann ruft er an, sie packt ein paar Sachen zusammen und geht die sechs Stockwerke hinunter, bevor sie auf die große Allee tritt.

Going up in style

Redaktionskonferenz

Burnster: Also, los gehts. Wer ist anwesend? Guillaume, Burns, Berni und Lex. Sehr gut. Es wird Zeit, sich mal wieder zusammenzusetzen und ein wenig zu sinnieren, wohin uns unser redaktioneller Weg führen soll. In letzter Zeit benimmt sich unser kleines Online Magazine zu wenig teleologisch. Ich will eure Ideen, eure Visionen hören. Du fängst an, Guillaume. Schließlich bist du grade erst neu eingestellt worden. Da erwarte ich mehr Engagement als von alten Säcken wie Berni oder Lex.

Guillaume: Mir doch natsche, Chef. Es kann einfach nicht angehen, dass die Uhren in New York sich verstimmen, nur weil sie gerade Bolz drauf haben. Ich nehme einen Vollbart bei Lohnschein, also raus mit den Kosacken. Kopfgeld pro Meile, wenn du verstehst, Chef.

Burnster: Das gefällt mir in Ansätzen ganz hervorragend, Guillaume. Wie steht’s mit dir, Burns?

Burns: Da weiß ich doch schon wieder, woher der Wind weht. Guillaume hält sich für den Könner hier mit seinem Neusprech. Wenn der Kryptikkrüppel auch nur einen Cent mehr verdient als ich, bin ich raus!

Berni: Jetzt hört doch bitte auf, euch zu zerhacken. Ich habe einige interessante Beiträge in petto. Habe alte Tagebucheinträge rausgesucht und sie zu einer Art Kurzgeschichte zusammengeflochten. Es behandelt die Zeit, in der ich mit…

Burnster: Das kannst du dir abschminken, Kollege. Dein zimperlicher Poesialbum-Ansatz reiht uns doch nur in die endlose Liste weinerlicher Egoblogs ein. Denk dir was über Ficken aus, empirisch gibt’s ja nichts bei dir. Wir brauchen mehr Sex im Blatt. Bei den anderen sorgt das immer für massig Kommentare.

Lex: Entschuldigung wenn ich mich hier einmische, aber wir als Akademiker, Guillaume ausgenommen, sollten einen gewissen Bildungsauftrag wahren. Dieser leicht sarkastische Lokalkolorit inklusive der possierlichen Regionalismen jüngst – das hat mir gefallen. Lassen Sie uns eine Exkursion nach Bayern machen, Herr Burnster und wir sammeln linguistische Eindrücke und präsentieren sie dem nordisch unbedarften Publikum.

Burnster: Ausgezeichnet, Lex. Burns, besorg uns für das kommende Wochenende einen Flieger nach München. Business Class, bitte. Diese verhurten Economy-Sitze schneiden mir die Luft aus den Rippen und ich muss zudem ständig durchs ganze Flugzeug laufen, wenn ich biseln will. Sieh zu, dass es Bloody Mary an Bord gibt. Und mach doch bitte die Musik leiser.

Burns: Jawohl, Chef. (leise: Arschloch)

Burnster: Gucken wir uns doch mal die Konkurrenz an. Was machen die besser als wir? Was brennt bei denen? Bei wem gehen die Leser richtig steilo? Spreeblick lassen wir mal außen vor. Das ist Establishment. Da wollen wir erst in fünf Jahren sein.

Berni: Der Mac Winkel hat total viele Leser. Ich vergönn’s ihm. Hat was Revuehaftes, seine Berichterstattung.

Burnster: Gut, aber wir haben hier niemand mit einer derartig mannigfaltigen Persönlichkeit. Wie stehts mit Ole aus Absurdistan?

Lex: Also, der Bursche gefällt mir sehr gut. Ein Sprachjongleur, ein Belesener, ein Interessierter und im Grunde seines Herzens ein melancholischer Humorist der alten Schule. Der Mann kennt seinen von Bülow.

Burnster: Righty. Aber zu verkopft dürfen wir nicht rangehen. Burns, bring dich doch mal ein, du faules Ei!

Burns: Machen wir halt was mit Weibern wie Schröder!

Guillaume: Kaftan! Du nagelst den Tristan auf den Punkt.

Burnster: Pianissimo, Kollegen.

Lex: Ich weiß nicht, ob wir uns auf ein derartiges Niveau begeben sollten. Berni, sag doch was dazu.

Berni: Ich hab noch diese schönen Schwarzweißphotos als ich damals mit XXXX an der Isar entlang…

Burnster: Dich und die Alte will keiner sehen. Steck dir die Bilder ins Portemonnaie. Lex, Politik?

Lex: Hmmm…., warum nicht, es ist ja auch grade Wahlkampf. Und ich biete mich als Kolumnist und Essayist geradezu an.

Berni: Aber Politik ist so schrecklich unemotional. Ich würde gerne mehr über Musik schreiben. Aber leider werde ich nicht bemustert und es ist nie genug Handgeld zum CD-Kaufen im Haus.

Burnster: Kauf dir deine CDs gefälligst selbst, du Geizkragen. Mir ist das schon wieder zuviel Geblubber hier. Ich mach mal Nägel mit Köpfen: Weniger Tagebuch, weniger Heulen, weniger Metablogging. Mehr Photos, mehr Sex, mehr Lokalkolorit, mehr Weltabgewandtheit, und selbstverständlich mehr Guillaume.

Guillaume: Saprang! Ich memme dich, Chef!

North Beach

Hier gibt es kein Wasser, hier gibt es kein Meer. Hier gibt es nicht einmal Sand. Hier gibt es nur Straßen und Häuser. Das hier ist der Nordstrand.

Hier liegen wir nicht in Liegestühlen, hier trinken wir keine tropikalen Getränke. Hier wird nur Bier und Wein gesoffen. Das hier ist der Nordstrand.

Hier ist das Trottoir unsere Promenade, hier kommt die Flut in den Straßen. Hier spült es die Leute an. Das hier ist der Nordstrand.

Hier schlagen wir hohe Wellen. Und hier holen wir uns einen Sonnenbrand. Hier sind wir Urlauber und Anwohner zugleich. Das ist hier ist der Nordstrand.

Hier herrscht ein ewiger Sommer und hier klingt „Caroline No“ bis lange in die Nacht hinein. Hier auf dem Asphalt promenieren wir, die strandaffinsten Menschen ohne Meer. Das hier ist der Nordstrand.

I wish they all could be macedonia girls.

I wish they all could be macedonia girls

Ein Gespenst geht um

„Wir haben nichts zu verlieren, ausser unsere Ketten. Aber eine Welt zu gewinnen.“ sagte Martha und sah Samuel dabei halb belustigt, halb auffordernd an. Samuel fuhr sich nervös durch die Haare. Wie konnte sie sich darüber lustig machen? Es stand doch außer Frage, dass sich etwas ändern musste. Sie hatten sich bekriegt und sich fast umgebracht, sie hatten sich totgeschwiegen und sich die Abwesenheit des Anderen schön geredet. All das hatte sie nur wieder an ihren Ausgangspunkt geführt. Den Punkt, an dem es kein Vorwärtskommen gab, aber den immerhin zu zweit. Martha boxte ihn auf den Arm, während er das Auto weiterhin durch die schwarzwerdenden Straßen lenkte.

Sie war wohl wegen ihm gekommen. Natürlich hatte er das gewollt. Natürlich hatte er das veranlasst. Doch jetzt fühlte er sich gelähmt von dem Gift ihrer Erwartung. Sie boxte ihn nochmal auf den Arm, mehr fordernd als spaßig. Er fühlte sich unsicher und das was er an ihr immer so bewundert hatte, ihre bedingungslose Hingabe an eine Aufgabe, war ihm jetzt unheimlich, wenn nicht sogar unsympathisch. Er verschmähte es, seine Ansichten und Absichten zu verheimlichen, aber ein erneuter Umsturz musste klamm und heimlich verlaufen. Sie durfte es kaum merken. Er würde sie erneut zurücklassen müssen mit ihren Plänen und ihrer organisierten Gewalt. Innerlich schrie er auf wie das Land und die Straßen, durch die er das Auto lenkte.

Even if we\'re just dancing in the dark

Die Abenteuer des Guillaume Burnaud

Wummsen. Konnte mir das Siechtum nicht verkneifen, als ich die höhensonnende Guernica Rodriguez in die feisten Bermudashorts kniff. Patschamp! Was hatte diesem Fass nur den Boden ausgeschlagen? War es der Wind in den Weiden oder der Hund von Baskerville, war es der Mann ohne Eigenschaften oder der Hauptmann von Köpenick? War es der Extraterrestrische oder das Bildnis des Dorian Gray? War es jemand aus Mickey’s Gym oder schon wieder Colonel Trautmann? Die Lösung spuckte mir schemenhaft in die Suppe als ich sträflich vernachlässigte Kreuzigungen aus dem Reader’s Digest erfahren musste und deshalb eine Viertelstunde zu spät zum Sickness-Training kam.

Roibusch! Der Sommer ließ zu fluchen übrig. Ich wünschte mir einen Schlauch voller Kadaver und eine Luftpumpe mit Erdbeerbrei. Natürlich wird Kryptik überbewertet aber unter solchen Urnständen blieb der Gang in die Gruft auch nur denen erspart, die ihr Girokonto bei Gott abgeschlossen hatten.

Detzelwetzel! Der Silberaffe zu meiner linken hatte mir den letzten freien Stuhl auf meiner Kondolenzreise nach Jerusalem weggeschnappt. Wie einst der Schwarzenbeck warf ich meine Warzen weg und der Affe war im Nu der Adlatus eines porentiefreinen Advocatus Diaboli. Apropos! Erst gestern bin ich nochmal diesen Vertrag mit Hephaistos durchgegangen und er meinte: Gute Arbeit, mein Junges, du musst noch viel lernen bevor der Hammer hängt. Das hat mich beruhigt und ich fühle mich gewappnet für die Zigeuner aus der Walachei, die mit ihren Stechsensen die Gegend einräuchern. Jedes Jahr die gleiche Nappelschau.

Schabb! Meine Freundin Cha-Cha-Cha Garbo ruft auf dem tellergroßen Telefon an und bezirzt mich bis ich gegen einen Greis laufe, der sich mit einer Kreislaufschwäche bedankt. Gern geschehen sind auch die letzten Tage in denen sich alles nur um das eine gedreht hat. Den verdammten Glospaccio-Regress-Plan. Die grüne Hölle von Brabang, wie könnte ich sie jeh vergessen?

Die gruene Hoelle von Brabang

Burkhardt Fialkowske

Gerade haben wir auf dem Weg von der Mittagspause zum Büro Burkhardt Fialkowske gesehen. Er stand auf dem freien Bauplatz an der Zeughofstr und verpasste einem Weißhemder (wohl der Bauherr) einen ordentlichen Bauarbeiterhändedruck. „Das ist der Fialkowske, een alter Kollege.“ sagt mein Kollege. „Der kommt aus meiner Gegend.“ fährt er fort und deutet auf Fialkowskes LKW, auf dem steht: Firma Fähse, Görlsdorf. Sei Randspreewald, sagt mein Kollege und fährt fort:

„Der Fialkowske ist ein richtiger Hucker. Zuhause n Bauernhof mit richtig schön Tierchen, so Kaninchen und so. Und nebenbei noch aufm Bau arbeiten. Wenn der mal stirbt gibt’s n Kranz aus Kümmerlingflaschen rum. Ein richtiger Dorfdeutscher. Der wirbelt die ‚michs‘ und ‚mirs‘ nur so durcheinander. Der hat auch eine Bläkerstimme, sach ich dir. Richtig hergesoffen. Na ja, is ja och beste Kundschaft von Monis Bauernstüberl, so nach dem Motto ‚Gib ihm!‘. Die Moni, die hat ja Sommer wie Winter immer diese Ganzkörperschürze an…

Nach der Wende hat der Fialkowske mit Biertrinken aufgehört, weil er sich zu füllig fühlte. Hat aber nüscht geholfen, wie du ja siehst. Jetzt trinkt er halt so Wein und Whiskey und so. Seine Tochter is mit mir zur Schule gegangen. Die war mal spitz auf mich. Aber nicht den kleinen Finger hätte die gekriegt… Ha, bei dem als Schwiegervadder hättste sicher heftig ranklotzen müssen. Da wär ich jetzt auf dem Bauplatz gestanden und dauernd was von abladen gebläkt. Ja, der Fialkowske, is schon ne Marke.“

Goerls just wann have fun!

(Copyright www.pfarramt-goerlsdorf.de)

Zefix! Radl richtn!

Warning: contains language which may not be suitable for all age groups!

Ich besitze ein Klapprad und damit fahre ich auch gerne. Ja, so ein richtig altes Angeber-Berlin-Mitte-Klapprad. Mit zwei Gängen, darauf lege ich großen Wert. In der Regel fahre ich nur Kurzstrecken damit, mehr muss nicht sein, wenn man zentral und kiezig wohnt wie ich. Nichtsdestotrotz schickte ich mich und Klappi neulich auf große Reise nach Kreuzberg und prompt hatten wir uns einen fiesen Schlitzplatten im Hinterreifen eingehandelt, der den Neukauf eines Schlauchs samt Mantel nach sich zog.

Nun gibt es ja Leute, die gehen zum Fahrradunterhändler und sagen: „Einmal Reifen austauschen, bitte, und die lustige Kuhhupe dahinten.“ Nicht so euer Burnson. Denn er ist ein Mann und liebt es, in Unterhemd und Jeans mit Schmiere an den Händen mit Schraubenschlüssel in den Händen den Hinterhof zu regieren.

Hinterreifen rausgeschraubt, nichts einfacher als das. Obwohl, die Zusatzhalterung wartete mit verrosteter Mutter auf und es dauerte doch länger als geplant. Dann erstmal Luft in den neuen Schlauch. Verdammt, ich hatte ja ein Autoventil gekauft, also nochmal hoch in die Wohnung und die andere Luftpumpe geholt. Shit, die falsche, nochmal hoch in den Dritten und nochmal runter. Dann mein Lieblingsprozedere: den Mantel über Schlauch und Reifen stülpen. Viecherei. Wieso geht das nicht einfacher? Die schicken Leute zum Mars aber dafür haben sie noch keine griffige Lösung gefunden. Na gut, Reifen aufgepumpt und jetzt einfach wieder drauf, oder?

Leider ist es nicht ganz so einfach. Die Kette muss erst eingefädelt werden und aufgrund der Kürze der verfluchten Kette passt der Reifen nicht in die Halterung. Klar – erstmal mit Gewalt probieren. Resultat: Klapprad klappt in der Mitte auseinander und Kette fliegt davon. Schließlich verabschiedet sich auch noch der Sattel und im Hinterhof verstreut liegen jetzt: der Hinterteil des Rades, der Lenker samt Vorderreifen, der Sattel samt Stange, die Kette und ein einsam wirkender, neu bezogener Hinterreifen.

Nun gut, erst mal wieder die Kette einfädeln. Hoppla, Kette fällt auseinander. Dreck, verhurter. Okay, Kette eingefädelt und wieder zusammengeheftet. Shite, Kette falsch eingefädelt. Also, nochmal von vorne. Kette geöffnet, Kette eingefädelt, Kette geschlossen. Wieder falsch. Kettenführung bei anderem Fahrrad abgeguckt und den ganzen Scheiß nochmal, Arschaxt. Dann Reifen montiert. Kette wieder zu kurz, doch Kompromiss gefunden, ob der Mist hält, mir scheißegal wie. Schrauben angezogen wie ein Nibelunge. Ach so, vergessen, die Halterung anzubringen. Also nochmal die Hurenschrauben aufgemacht. Welcher Idiot hat die so fest angezogen? Kreizkruzefix!

Arrgh, endlich ist der verschissenene Hinterreifen drin. Mit gespannter Kette. Leicht schief, aber wenn kratzt das? Jetzt das Klapprad wieder zusammenschustern. Kann nicht so schwer sein. Ist ja für die schnelle Montage gedacht. Könnte man meinen. Dreckstück von einem Fahrrad. Wie soll ich die zwei schweren Rahmenteile zusammenhalten und nebenbei noch den Keil durchstecken? Ich habe keine vier Arme und sauschwer ist das Zeug auch noch. Und warum ist die Schraubmechanik auf dem Keil verrostet? Wie soll ich das Hurending jetzt zuschrauben?

Grade noch schnell mit der Zange alle Hebel gen Unbeweglichkeit gehämmert und den Sattel angeschraubt. Das Rad ist wieder eins. Und es fährt. Gut, der Hinterreifen liegt etwas schief und die Kette geht dauernd am Schutzblech an, aber Hauptsache ich habe gewonnen. Beim nächsten Reparaturfall kauf ich mir einfaches ein neues Rad. Und zwar kein so Hurenscheißdreckverrecktes Klapprad, scheißverrecktes.

Über Cortez The Killer

Hernán Cortés war der spanische Eroberer Mexikos. Mit einer relativ geringen Soldatenschaft (670 Mann) zwang er 1519 das gesamte Aztekenreich in die Knie, machte die Hauptstadt Tenochtitlan dem Erdboden gleich, besiegte den legendären Aztekenkönig Montezuma II, nahm ihn gefangen und demütigte ihn. Neil Youngs Song „Cortez The Killer“ verweist wohl auf die blutige und skrupellose Kriegsherrschaft von Cortés und stellt dem das Idyll eines friedlichen und ethisch intakten Aztekenreichs entgegen. Dabei geht selbst die Menschenopferideologie der Azteken in verklärt lyrischem Rauch auf.

And the women all were beautiful
And the men stood straight and strong
They offered life in sacrifice
So that others could go on.

Hate was just a legend
And war was never known
The people worked together
And they lifted many stones.

Doch auch die Figur des mordenden Cortés erfährt eine gewisse Ästhetik. Schließlich fällt er nicht marodierend in das Land, sondern trifft eher spielerisch ein („He came dancing across the water“). Zunächst stößt er auf Toleranz seitens der Hausherren und seine Armee darf sich frei bewegen. Erst nach und nach überfällt ihn die Gier nach Reichtümern und der Kontrolle über eine riesige spanische Kolonie.

Doch was er vernichtet, fasziniert ihn gleichermaßen. Eine mexikanische Sklavin, La Malinche, wird nicht nur seine Übersetzerin, sondern auch seine Gefährtin und Geliebte. Montezuma erscheint in dem Song, als der ideale Herrscher, jemand der sich in innerer Ruhe zu seinem Volk und seinen Göttern bekennt. Eigenschaften, die der jähzornige, suchende Cortés nicht besitzt und um die er ihn beneidet. Deshalb demütigt er Montezuma und nimmt ihm und seinem Land alles. Cortés ist somit auch ein emotionaler Killer, zumindest in den Augen Neil Youngs.

On the shore lay Montezuma
With his coca leaves and pearls
In his halls he often wondered
With the secrets of the worlds.

Man sagt, Cortés habe das Land mit neuen Krankheiten vergiftet. Später wird dem schon immer im Mutterland Aneckenden von den Spaniern in Mexiko ein Regierender vor die Nase gesetzt und Cortés verlässt Mexiko, um weitere Expeditionen vorzunehmen. Er entdeckt 1536 die Halbinsel Baja California (Niederkalifornien), doch die spanische Krone versagt ihm erneut die Anerkennung und Cortés stirbt letzten Endes einsam und gebrochen auf seinem Landgut bei Sevilla. Beigesetzt wird er jedoch im Land seinen Wirkens, in Mexiko.

Cortés ist in Spanien ein Volksheld und der Neil-Young-Song stand dort unter Franco auf dem Index.

Cortez The Killer

Im Traum ist sie mit mir die Küstenstraße hinuntergefahren.

Ich war noch nicht ganz bei Kräften und war zu müde um zu widersprechen. So nahm sie mich mit auf dem Gepäckträger meines Fahrrads. Es ging gen Abend und es hatte eben noch geregnet. Die Straße schimmerte feucht und die Scheibenwischer der entgegenkommenden Autos waren noch in Betrieb. Sie fuhr sehr schnell, zu schnell für meinen Geschmack und es schien mir unvermeidlich, dass wir aus einer der nächsten Kurven flogen. Doch ich war zu müde, um ihr nicht zu vertrauen.

Rechts lag ein verlassener, zertrampelter Strand, links thronten die alten Villen, eingekesselt vom triefenden Grün der nassen Bäume und Sträucher. Alles tropfte, alles verlor Wasser an diesem unerwartet kühlen Sommerabend.

Sie fuhr, raste unbeirrbar, ohne auf mich zu achten. Ich hielt mich am Gepäckträger fest und gab mir Mühe, nicht zu zweifeln oder wahlweise, nicht einzuschlafen. Irgendwann kam diese langgezogene Linkskurve und sie wurde ihrer nicht Herr. Ich fürchtete, wir würden einen dieser hölzernen Straßenpfeiler rammen, doch wir rollten geradeaus weiter, sanft aus, ins Gras, wo sie meinen vorwurfsvollen Blick nur mit einem spöttischen Lächeln quittierte. Wir stiegen wieder auf und ich wusste, dass es jetzt anfing.

And I know she’s living there
And she loves me to this day
I still can’t remember when
Or how I lost my way.

(„Cortez The Killer“, Neil Young)

On the shore lay Montezuma